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Was am See geschah

Was am See geschah

Titel: Was am See geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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hatte, irgendeinem abgefuckten Gitarristen aus einer zweitklassigen Band.
    Mit gesenktem Kopf nahm er ihr den Teller aus der Hand. Die Augen taten ihm weh. Das taten sie immer, wenn er daran dachte, wie sehr er sich gewünscht hatte, Kinder mit ihr zu haben. Nur eins, nur eins.
    Und so bemitleidete er Florence, weil sie mit Bubby Dubois schlief, der ein riesiges Gebrauchtwagengeschäft außerhalb von Hebrides besaß, der ein gefurchtes und gebräuntes Gesicht hatte, das aussah wie eine Brotkruste, von all den Tagen, an denen ihm die Motorhauben der Autos die Sonne direkt ins Gesicht zurückwarfen - die Autos oder das Wasser; Haare wie ein Baiser, eine buschige weiße Wolke von Haar mit einem kleinen Hauch von Braun auf den einzelnen Wellen. Wenn er seinen pfirsichfarbenen Anzug trug, sah er aus, als könne man ihn essen.
    »Mußtest du den verdammten Toast in die Mikrowelle schieben, Florence?«
    Sie starrte auf den Teller und sagte: »Die Eier auch. Und den Speck.«
    Es klang anklagend, so, als sei seine Bitte um Speck und Eier, und dann auch noch um Toast, ein taktisches Manöver gewesen, mit dem nicht einmal die Japaner zu Rande kamen, und man von Glück reden mußte, daß der Sanyo keinen Kurzschluß hatte. Die Toastscheiben waren schlaff wie Lappen.
    »Nur weil du eine Schwäche für Mrs. Gruselig hast, brauchst du doch nicht versuchen, den Spieß umzudrehen.« Ihre triumphierenden Augen glitzerten, als sie sich einen schlaffen Speckstreifen in den Mund schob, der so grau war wie ein Kaugummi. Auf ihrem Gesicht lag eine glänzende Morgenpatina, ein schwacher Fettfilm, den Sam einst erregend gefunden hatte - etwas Flüssiges, das sich aus den schwarzen, glänzenden Haaren, den Olivenaugen absonderte. Florence war eine attraktive Frau.
    Als er so dasaß, gleichgültig seinen Orangensaft trank (das einzige, das dem Sanyo entkommen war) und auf den Vorwurf hinsichtlich Mrs. Chadwick nicht reagierte, probierte Florence es noch einmal:
    »Oder stehst du auf Bunny Caruso? Auf sie vielleicht?«
    Er stand auf und zerrte seine Uniformjacke vom Stuhl, sah sie an und schüttelte den Kopf. Was da aus ihr sprach und aus ihren Augen starrte, war die Angst.
    Er wußte, sie hatte eine Heidenangst davor, daß er sie irgendwann mit ihrem Sanyo und ihrem Dubois sitzenließ, und die nackte Angst zwang sie zu diesen seltsamen Provokationen, bei denen sie ausprobierte, wie weit sie gehen konnte.
    Sam lächelte nur und sagte, er müsse zur Arbeit, küßte sie auf die Wange und sah, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen.
    Alle Frauen, die er kannte, schienen hinter den Augen diesen kleinen Wasserspeicher zu haben, der jederzeit überlaufen konnte.
    Und nicht nur Frauen, dachte er, als er an seine eigene Reaktion vor zwei Minuten dachte. Alle.
    Jetzt zündete er sich eine Zigarette an, schaltete den Motor aus und beobachtete das Licht, das sich in Bunny Carusos Haus bewegte und helle Sprenkel auf die schäbigen Vorhänge tupfte. Wenn er den schlammigen Pfad voller Regenpfützen, die nie auszutrocknen schienen, hinaufgegangen wäre, um »der Ursache des Lärms auf den Grund zu gehen« - »Glaub, ich hab da so ein Scheppern gehört, Bunny« -, würde Bunny Caruso bloß dastehen, spindeldürr sogar in dem langen, weiten Kleid, das sie sich in Null Komma nichts überstreifte, und ihm (mit großen unschuldigen Augen) sagen, daß Hubert wieder mal »was im Schilde führt«.
    Hubert war weder ein Ehemann noch ein Liebhaber, der Bunny vielleicht ab und zu eine fürchterliche Tracht Prügel verpaßt hätte. Hubert war nach Bunnys Worten ihr »Hausgeist«. Hubert gehörte zu dem ganzen Hokuspokus von Bunnys sogenanntem Beruf; wie die Kristallkugel auf dem hindrapierten schwarzen Samt und die flackernde Kerze, die sie bei ihren »Séancen« benutzte, weil sie das Licht löschen mußte, denn sonst wäre Hubert, der den Lebenden die Botschaften der Toten übermittelt, nicht erschienen. Und die Spiegel. Sam hatte noch nie soviel Spiegelfläche gesehen. Die Decke und zwei Wände waren verspiegelt. Er nahm an, dieses ganze Drumherum brachte ihre Kunden dazu, durch den Schlamm zu stapfen und einen flüchtigen Blick in die Zukunft (oder die Vergangenheit) zu tun, denn an Bunny Caruso selber konnte es ja wohl kaum liegen. Sie hatte soviel Sex-Appeal wie die alte Pumpe vor dem Gerichtsgebäude. Ihre dünnen, knochigen Beine staksten im Sommer wie Spindeln aus ihren knallrosa Shorts heraus. Wenn sie ihr trägerloses Oberteil trug, zerrte sie es immer

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