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Was am See geschah

Was am See geschah

Titel: Was am See geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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sagen hören? Wade wollte einfach nicht glauben, daß Boys Alibi für den Zeitpunkt des Mordes an Eunice hieb- und stichfest war. Aber er nahm an, daß es Wades Schmerz ein wenig milderte, wenn er jemanden hatte, den er beschuldigen konnte. Er wandte den Blick von den fernen Feldern ab, die man im Dunkeln nicht voneinander unterscheiden konnte. »Tut mir leid, daß wir ihn nicht gefunden haben, Wade.«
    »Mein Gott, ich mach dich doch nicht dafür verantwortlich, Sam, das weißt du doch.« Wade klang angespannt, und seine Kiefer bearbeiteten einen Tabakfussel. So angestrengt wie er kaute, hätten es auch Knorpelstücke sein können. Dann lehnte er sich zurück und nahm, indem er zwei Finger durch den Henkel schob und den Daumen auf den Rand legte, die Tasse in die Hand. »Dodge hat gesagt, du bist am Wühlen - genau so hat er’s gesagt, ›am Wühlen‹ wärst du -, und zwar seit der Zeit, als Eunice... na ja...«
    Sam betrachtete Wades Profil, sah sich an, wie sein Gesicht unter den Wangenknochen und um die Augenhöhlen eingefallen war. »Wann hat Dodge dir das gesagt, Wade?«
    Der hochgewachsene Mann zuckte mit den Achseln. »Vor ein paar Monaten. Um die Zeit, als die Alonzo umgebracht worden ist. Dodge hat gesagt, daß du damals angefangen hast, Fragen über die anderen zu stellen. Über diese Butts und über Eunice.«
    Langsam drehte er den Kopf, sah Sam ins Gesicht und sagte mit leicht vorwurfsvoller Stimme: »Mir hast du nie so was erzählt, weißt du.«
    Nein, das hatte er nicht. Sam hatte Wade nichts von seinen Vermutungen hinsichtlich Boy Chalmers erzählt, wenn das seinen inoffiziellen Ermittlungen wahrscheinlich auch schadete. Es wäre ihm selber lieber gewesen, daß Wade sich konkreter über jenen Tag äußerte, den er immer und immer wieder abspulte.
    »Tja, Wade, ich würd nicht sagen, daß ich am ›Wühlen‹ bin. Es ist schließlich lange her - wenn ich natürlich auch drüber nachgedacht habe, das stimmt schon.«
    »Freut mich, das zu hören. Ich hab schon gedacht, die Polizei hat den Fall einfach zu den Akten gelegt und Eunice völlig vergessen.« Er nahm noch einen Schluck Kaffee.
    »Schwer zu vergessen, Wade... so was.« Sam schüttelte den Kopf, während Wade erneut die Kanne von der Heizplatte hob. »Nein, danke.« Er trank seine Tasse aus, stand auf und stellte sie auf den Tisch. »Es ist schon fast zwölf; ich muß los.«
    »Dodge und Bürgermeister Sims sind wohl nicht so begeistert über dein Gewühle.« Wade lächelte verhalten, ja beinahe verschlagen.
    »Nein, kaum, Wade. Tja, ich muß los.«
    Sie wünschten sich gute Nacht, und Sam schlenderte über den harten, festgestampften, nur von einem kalten Halbmond beschienenen Boden des Hofes davon.
     

4
    I ch frag mich, wo sie hingehen, wenn der Sommer vorbei ist«, sagte Maud und versuchte, zwei Finger in das enge Olivenglas hineinzuzwängen und sie zangenartig um eine Olive zu legen, die immer wieder zurückfiel. Außer der Olivenschüssel aus Kristallglas gab es da noch einen kleinen Teller mit Zitronenscheiben und Silberzwiebeln. Und eine Knoblauchzehe. Die war immer dabei, und Sam wußte, sie wartete jetzt darauf, daß er nachhakte. Was er nicht tat.
    »Soweit ich weiß, gehen Raoul und Ev -«
    Ihr Kopf drehte sich rasch in seine Richtung. »Ich hab nicht gesagt, daß ich es wissen will, oder?« Sie war gereizt, weil er es ihr vielleicht erzählen könnte, aber gleichzeitig froh, daß er wieder zurück war. Es war fast Mitternacht; die Party auf der anderen Seeseite war meistens um diese Zeit auf dem Höhepunkt, und Maud wurde allmählich deprimiert. Wurde allmählich? War sie es nicht immer? Nein, das war etwas anderes; das war eine oberflächliche, ja geradezu gelassene Depression, eine Erholung von der richtigen, wahren.
    »Du hast doch gesagt«, sagte Sam, sein frisches Bier auf der Lehne des Klappstuhls balancierend, »›ich frag mich, wo sie hingehen ‹.«
    »Sich fragen, sich Gedanken über etwas machen. Das ist was ganz anderes als etwas wissen wollen. Man fragt sich zum Beispiel, wie sie heißen. Du hast mir ihre Namen gesagt. Als ich sagte, »ich frag mich, wie sie wohl heißem, hab ich damit nicht gemeint, daß ich es wissen will.« Viel lieber ging sie in Gedanken ein paar mögliche Namen durch, suchte sich einen aus, ließ ihn wieder fallen und begann dann das Ganze wieder von vorne. Und einen Nachnamen zu wissen (den sie nicht kannte, Sam, wie sie vermutete, allerdings schon), das wäre dann viel zu real; der Nachname

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