Was dein Herz nicht weiß
wirklich so einige Ukineon- Frauen.«
»Hana, bitte, nicht diesen Ausdruck«, schimpfte Soo-Ja.
»Aber sie hat doch nicht mehr alle Tassen im Schrank! Was denkt sie sich bloß? Sie hat gefragt, ob wir Ratten im Hotel hätten! Kannst du dir das vorstellen? Was ist das denn für eine Frage?«
»Hana, bitte lauf jetzt und rede mit Fräulein Hong.«
Hana schickte sich an zu gehen und stand mit dem Rücken zu ihrer Mutter, als sie fragte: »Du wirst Herrn Ims Angebot also nicht annehmen?«
Soo-Ja bemerkte die Enttäuschung in der Stimme ihrer Tochter. »Du hast den Zettel gelesen.«
»Du wirst es doch annehmen?«
»Hana, wenn du wüsstest, was du da von mir verlangst, würdest du nicht so reden.«
»Warum willst du es denn nicht annehmen?«
War Hana gerade dabei, ihren geliebten Vater zu verraten? Oder sprach sie nur aus, was Min selbst sagen würde? Immerhin brachte er es fertig, gleichzeitig sowohl irrsinnig eifersüchtig auf andere Männer zu sein als auch totale Gleichgültigkeit an den Tag zu legen, was Soo-Jas Wert für ihn betraf.
»Hana, er fragt mich nicht bloß, ob wir zusammen einen Bohnenkuchen im Lebensmittelgeschäft kaufen gehen. Wenn erwachsene Männer so einen Brief schreiben, meinen sie viel mehr.«
»Ich weiß. Er will das, was im Kino passiert, wenn ein Mann und eine Frau sich küssen und die Leinwand schwarz wird«, erläuterte Hana. Anscheinend war sie sich sehr wohl bewusst, was geschah, wenn die Leinwand schwarz wurde.
Soo-Ja betrachtete das glatte Teenagergesicht ihrer Tochter, ihr Haar mit den zwei kleinen Pferdeschwänzen, ihren rosa Angorapullover mit dem weißen Kragen und den Knöpfen auf der Vorderseite. Hana war zwölf und sah auch so aus, aber sie war die reifste Zwölfjährige, die Soo-Ja kannte.
»Hana, ich weiß, es ist frustrierend für dich, wenn du siehst, wie deine Freunde mit dem Taxi fahren und sich jede Saison im Baeg-hwa-jeom neue Kleider kaufen. Aber glaub mir, sie sind deshalb nichts Besseres als du. Jetzt geh auf dein Zimmer und mach deine Hausaufgaben. Und erzähl unter keinen Umständen deinem Vater von dem Zettel. Das würde ihn verletzen.« Soo-Ja fügte die letzte Bemerkung nur hinzu, weil sie wusste, dass das der einzige Weg war, um Min aus der Sache herauszuhalten. Hana schwärmte für ihren Vater, liebte ihn mehr als ihre Mutter, insbesondere, weil er ihr mehr durchgehen ließ – das vermutete Soo-Ja jedenfalls.
Als Hana ging, stellte Soo-Ja sich vor, wie ihre Tochter in ihrem Schlafzimmer zusammen mit Min auf dem Boden sitzen und kleine Orangen essen würde. Min würde sie sorgfältig schälen und die weiße Haut von jedem Stückchen entfernen, bevor er es Hana in den Mund schob, eins nach dem anderen. Hana fand es wunderbar, dass ihr Vater immer Zeit für sie hatte, mehr Zeit als alle anderen Erwachsenen. Min las ihr jeden Wunsch von den Augen ab, erfüllte auch noch ihre unerhörtesten Forderungen und kaufte ihr Schallplatten, Comics und Zeitschriften. Er behandelte sie eher wie eine kleine Königin als wie seine Tochter.
Manchmal erkannte Soo-Ja den prahlerischen Charakter seiner Liebe zu Hana, als wollte er sagen: Schau, ich bin kein schlechter Vater, ich habe Eigenschaften, die meine Fehler aufwiegen, und ich bin bei allem doch zur Liebe fähig – bloß nicht dazu, dich zu lieben, weil du nicht fähig bist, mich zu lieben.
Soo-Ja dagegen musste ihre Tochter oft enttäuschen. Sie war mit der Betreuung der Gäste meist zu beschäftigt, als dass sie sich Hanas Schwärmereien über den Sänger Jung Hyeon Shin und den Schauspieler Sung-Il Shin hätte anhören können. Sie weigerte sich, Hana neue Kleider zu kaufen, als es kalt wurde und sie ohnehin die ganze Zeit einen Wintermantel trug. (Soo-Ja glaubte nämlich an die Theorie, dass man nicht zu viel für Sachen aufwenden sollte, die andere Leute nicht sehen konnten, was auch den bedauernswerten Zustand ihrer eigenen Unterwäsche erklärte.)
Als Hana ungefähr sechs oder sieben Jahre alt gewesen war, hatte Soo-Ja ihr oft einen Klaps versetzen müssen, damit sie auch nur die einfachsten Dinge erledigte, zum Beispiel ihren Pyjama anzuziehen oder ihre Mahlzeiten zu essen. Immer, wenn Soo-Ja dazu gezwungen war, schrie Hana: »Das tut mir überhaupt nicht weh!« Diese Frechheit erstaunte Soo-Ja und erweckte in ihr den Wunsch, ihre Tochter noch härter zu schlagen (was sie aber nicht tat). Hana gab niemals klein bei, und die Willensstärke ihrer Tochter ärgerte und beeindruckte Soo-Ja zugleich.
Hana
Weitere Kostenlose Bücher