Was dein Herz verspricht
schon bei anderen Bediensteten aufgefallen. »Ihr haltet viel von ihm, nicht wahr?«
»Seine Lordschaft hat mir - sehr geholfen. Hat mich angestellt, als es kein anderer hätte tun wollen. Mich und viele von den anderen, Theo und Elias, Silas und Jackson, das ist der Kutscher. Und noch ’n halbes Dutzend. Und dann natürlich Mercy Brown.«
Elizabeth runzelte die Stirn. »Mercy? Warum sollte man Mercy nicht einstellen wollen? Sie macht einen sehr fähigen Eindruck.«
Freddys Mund wurde schmal. »Ich dachte, Ihr wüßtet... sonst hätt’ ich nix gesagt. Wir und die andern - wir sind alle Sträflinge gewesen. Ein paar war’n mit Nick in Jamaica. Wenn Euch das was ausmacht, braucht Ihr ja nich’ mehr mit mir zu reden.« Er musterte sie mit eindringlichem Blick und wartete auf ihre Reaktion. Der Ausdruck seines faltigen gegerbten Gesichts bewies ihr, wie wichtig ihre Antwort für ihn war.
Elizabeth wich seinem Blick nicht aus. »Ich muß zugeben, daß mich das überrascht. Aber Ihr wart immer nett zu mir, Freddy. Und das ist das einzig Wichtige, glaube ich.« Abgesehen davon war es klar ersichtlich, daß sich die Männer in Ravenworth Hall gut eingefügt hatten. Höchstwahrscheinlich besser als der Graf selbst.
Freddy schien sich zu entspannen, also fragte Elizabeth weiter. Ihre Neugier war geweckt, Einzelheiten über Nicholas Warring und seine seltsame Dienerschaft zu erfahren. »Aber Mercy Brown war doch nicht auch im Gefängnis, oder?«
»Jawollja, war sie. Wurde eingesperrt, weil sie ’ne kostbare Brosche ihrer Herrschaft gestohlen haben soll. Sie schwört, sie war’s nich’ und man hätt’ ihr unrecht getan.«
Elizabeth dachte an die kräftige junge Frau, die ihr so ehrlich erschien. Sie konnte sich Mercy Brown als Diebin nicht vorstellen. »Ihr glaubt ihr offenbar und der Graf auch.«
Freddy nickte. »Er weiß, wie’s so is’, da draußen. Und wie schwierig, wieder neu anzufangen. Selbst für ihn war’s ja nich’ leicht.«
Zum erstenmal stellte sich Elizabeth vor, was für ein Leben Nicholas Warring wohl damals geführt haben mochte. Daß seine Frau ihn verlassen hatte, daß er sieben Jahre mit schwerster Arbeit verbracht hatte und wie es wohl gewesen sein mochte, zurückzukommen in eine Heimat, in der ihn alle mieden. Die Erinnerung daran, wie sich seine Arme um sie gelegt hatten, war plötzlich wieder da. Das Gefühl seines leichten Streicheins über den Kopf, sein Geruch nach Tabak, Pferden und Leder. Ihre Fingerspitzen kribbelten, wenn sie daran dachte, wie sie seine harte, muskulöse Brust berührt hatte.
Sie glaubte zusehends stärker, daß sie ihn falsch eingeschätzt hatte. Und wenn es so war, dann mochte ihr der Himmel helfen, denn dann würde sie sich noch mehr zu ihm hingezogen fühlen, als es sowieso schon der Fall war.
»Danke, daß Ihr mir das erzählt habt, Freddy. Ich glaube, ich verstehe Seine Lordschaft jetzt etwas besser.« Sie lächelte. »Und ich glaube, Ihr solltet alle stolz darauf sein, daß es Euch gelungen ist, wieder neu anzufangen.«
Freddy grinste, was eine klaffende Lücke zwischen seinen Vorderzähnen enthüllte: »Ihr könnt jederzeit in die Stallungen herauskommen, Miss Woolcot. Wann immer Ihr wollt. Ich und die kleine Stute werden uns beide freuen, Euch zu sehen.«
Elizabeth hatte das Gefühl, gerade einen neuen Freund gewonnen zu haben. Sie war auf einmal sehr glücklich, daß Nicholas Warring einem Mann wie Freddy eine zweite Chance gegeben hatte.
Oliver Hampton, Lord Bascomb, schlug mit einer fleischigen Faust auf seinen Nußbaumschreibtisch. Dadurch geriet ein Stapel Papiere am Rand in Bewegung, so daß sie zu Boden segelten.
»Ich bin euer Gejammer leid, und eure faulen Ausreden genauso. Es ist doch völlig egal, daß das Mädchen eine bessere Reiterin war, als ihr gedacht hattet. Tatsache ist, daß ihr zwei Wochen lang auf das Mädchen gewartet habt, und als die Gelegenheit kam, habt ihr sie vermasselt.«
Charlie Barker und Nathan Peel, die beiden Gauner, die er angestellt hatte, um Elizabeth Woolcot nach Parkland, seinem Landsitz in Surrey, zu verschleppen, wirkten anständigerweise wenigstens betroffen.
»Aber wir ham doch nur -«
»Ich weiß, ich weiß. Jetzt hört ihr mir zu, und zwar gut. Ich will das Mädchen haben. Ich will keine Ausreden, ich will nicht noch mal sechs Wochen warten. Ich will Elizabeth Woolcot, und zwar sofort. Und wenn das bedeutet, daß ihr auf Ravenworth’ Land vordringen müßt oder von mir aus auch ins Haus selbst,
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