Was dein Herz verspricht
alles fertig, die Pferde steh’n und warten und sie kommt nich’, Mann. Besser wir kriegen sie tagsüber.«
Charlie kratzte sich am Bart. »Will ich nich’ riskiern. Besser wir warten noch ’n bißchen und seh’n, wie die Sache läuft. Und dann packen wir se am Abend.« Als Nathan ihm widersprechen wollte, fügte er hinzu: »Willste etwa baumeln? Ich nich’! Also benutz dein Hirn, Mensch.«
Nathan nickte schließlich, denn er konnte sich allzu gut vorstellen, wie sein magerer Körper leblos in der Londoner Brise am Galgen zappelte. »Also gut, aber vergiß eins nich’: wenn wir’s nich’ schaffen, wird der Kerl, für den wir arbeiten, dafür sorgen, daß wir anders ’n Abgang mach’n.«
Nick fand Elizabeth gemütlich in einen Erkersessel der Bibliothek gekuschelt. Er war noch in staubigen Reitstiefeln, hatte sein Halstuch gelöst und sich die Jacke über eine Schulter geworfen. Er legte beides über eine Sessellehne im Flur, bevor er die Tür zur Bibliothek öffnete.
Sie las in einem Buch, als er hereinkam. Ihr Haar war zu einem dicken Zopf geflochten, und ein paar zarte Strähnchen ringelten sich um ihre Ohren. Ihr Blick traf den seinen, und ihm fiel auf, daß sie ihm seit ihrem Ausflug ins Dorf gefehlt hatte. Dieser Gedanke und eine plötzliche Spannung in seinen Lenden bei ihrem Anblick waren keine angenehme Entdeckung.
»Ich dachte mir schon, daß ich Euch hier beim Lesen antreffen würde.«
Sie richtete sich auf. »Ihr habt mich gesucht, Mylord?«
»Ja, genau. Man hat mir gesagt, ich hätte heute mittag eine
Besucherin gehabt.« Elias hatte ihm von Miriams Besuch erzählt. Sein treues Personal informierte ihn stets über alles, was in Ravenworth Hall vorging. »Da Ihr für mich mit ihr gesprochen habt, hätte ich gern gewußt, was sie wollte.«
Elizabeth stand auf. Ihre Lippen wurden etwas schmal. »Lady Dandridge erschien im Garten, wie Ihr ja offensichtlich gehört habt. Natürlich suchte sie Euch. Wir haben uns nur kurz unterhalten. Ich nehme an, sic hatte gehofft, ihrer üblichen Nachmittagsbeschäftigung mit Euch nachzugehen.«
Seine Mundwinkel hoben sich leicht. »Ach, wirklich? Und was wißt Ihr von solchen Beschäftigungen, Miss Woolcot?«
Sie schloß das Buch, hielt aber einen Finger zwischen die Seiten, wo sie gelesen hatte. William Blake, Lieder der Erfahrung, eines seiner Lieblingsbücher, sah er.
»Ich bin ja nicht dumm, Mylord. Ich weiß, was Ihr und die Viscountess tun, wenn sie hier zu Besuch ist.«
Er hob eine Augenbraue. »Ach, tatsächlich?« Irgendwie glaubte er das nicht recht. Raten mochte sie vielleicht, aber es sich wirklich vorstellen wohl kaum. Und vor allem nicht, daß er sich dabei viel lieber mit ihr beschäftigen würde. »Soso. Und gehe ich recht in der Annahme, daß Ihr das nicht richtig findet?«
Sie zog ihren dicken Zopf über die Schulter und drehte beiläufig das Ende. »Wie ich schon Lady Dandridge gesagt habe, steht es mir nicht zu, etwas richtig oder falsch zu finden, was Ihr tut oder mit wem.«
»Aber wenn es Euch zustände«, drängte er sie, »würdet Ihr Lady Dandridge nicht richtig finden.«
Elizabeth senkte den Blick. »Sie ist sehr schön.«
»Das stimmt.« Er ging auf sie zu, blieb nicht weit von ihr an einem Tischchen stehen und knibbelte an der Kerze, die daraufstand. »Sie ist auch egoistisch und verzogen.«
Elizabeth widersprach ihm nicht, aber ihr Blick brachte zum Ausdruck, daß es sie wunderte, daß er das bemerkt hatte.
»Was sonst hatte die Lady zu sagen?«
Elizabeth zwirbelte den Zopf stärker. Sie trug ein grünes Seidenkleid, das etwas heller war als ihre Augen, so daß sie jünger wirkte, aber gleichzeitig sehr weiblich und absolut nicht zu jung.
»Ich glaube, sie war beruhigt, als sie mich gesehen hatte. Es war für uns beide offensichtlich, daß ich keine Bedrohung für ihre Position darstelle.«
Er war überrascht. Sie wußte wirklich nicht, was ein Mann sah, wenn er sie betrachtete. Daß ein Blick aus diesen großen, grünen Augen selbst den hartgesottensten Frauenhelden hart werden ließ aus Verlangen nach ihr, aus Verlangen, die Geheimnisse ihres Körpers kennenzulernen. Aber vielleicht war das besser so.
»Lady Dandridge hat keine Position«, sagte er. »Genaugenommen habe ich festgestellt, daß sie mich in letzter Zeit zusehends langweilt.«
Er warf seine Reithandschuhe auf den Tisch, die er noch in einer Hand gehalten hatte. »Es sieht ganz so aus, als ob ihre zukünftigen Besuche in Ravenworth, falls es
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