Was dein Herz verspricht
lehnte sich in seinem Stuhl zurück und streckte seine langen Beine aus. »Anfangs war es das. Ich konnte nicht glauben, daß ich tatsächlich dort war, tatsächlich Gefangener war und für sieben Jahre der Gnade anderer ausgeliefert.«
Er schüttelte den Kopf. »Das Transportschiff war ein Alptraum, und anfangs war es auf der Insel auch nicht besser. Wir wurden behandelt wie die Tiere, und einige der Männer verhielten sich auch so. Doch einige waren gute Männer, die nur einen geringfügigen Fehler gemacht hatten.«
»Wie Freddy Higgins«, sagte Elizabeth.
»Wie Freddy und Theo und Elias. Doch sie waren entschlossen, sich zu bessern und bei ihrer Rückkehr nach England ein neues Leben anzufangen.«
»Und Ihr habt ihnen dabei geholfen.«
Er zuckte mit den breiten Schultern. »Sie mir genauso.«
»Ein guter Gedanke«, warf Tante Sophie ein. »Nicht besonders populär, den Unglücklichen noch eine Chance zu geben. Aber Ihr seid ja sowieso kein aktives Mitglied der feinen Gesellschaft.«
Elizabeth errötete, aber Nicholas grinste nur. »Allerdings.«
»Und wie wurde Eure Lage dann schließlich besser?« hakte Elizabeth nach.
Er schien lässig zu bleiben, doch eine kleine Anspannung war ihm anzumerken, als er weitererzählte. »Die ersten paar Jahre habe ich in den Zuckerrohrfeldern gearbeitet. Knochenarbeit in der Hitze und geplagt von Insekten. Nach vier Jahren bekam die Pflanzung einen neuen Besitzer, Raleigh Tatum. Er war entschlossen, mit kräftiger Arbeit sein Unternehmen erfolgreicher zu machen. Als er erfuhr, daß ich lesen und schreiben konnte, holte er mich von den Feldern und ließ mich in seinem Büro arbeiten. Wir wurden eine Art Freunde. Ich half ihm, seine Geschäfte abzuwickeln, und er machte mir das Leben während der letzten Jahre angenehmer dafür.«
Elizabeth atmete tief durch. Er mußte wirklich große Strapazen durchgestanden haben, obwohl er sich bemühte, das nicht zu zeigen. »Man könnte erwarten, daß Ihr nach alldem verbittert wärt, aber es ist offensichtlich nicht so.«
Er zuckte nochmals die Schultern, doch die untergründige Spannung blieb. »Ich kannte die Konsequenzen meines Tuns, als ich Stephen Bascomb an jenem Abend zur Rede stellte. Ich wollte seinen Tod - in welcher Form auch immer. Genaugenommen kann ich froh sein, daß man mich nicht gehängt hat.«
Sie fröstelte. Ich wollte seinen Tod. Das hätte sie eigentlich schockieren sollen, doch jetzt, wo sie ihn besser kannte, fragte sie sich, was Bascomb wohl getan haben mochte, um ein solches Ende zu verdienen. Sie hätte gern gefragt, traute sich aber nicht. Sein herber Gesichtsausdruck machte klar, daß sie schon weit genug gegangen war.
»Also ich wäre jetzt bereit zum Dessert«, lenkte Tante Sophie ab, ausnahmsweise vernünftig genug, um zu bemerken, wann es Zeit zum Themawechsel war.
Ravenworth entspannte sich und lächelte. »Dann wollen wir das sofort in die Wege leiten, Mrs. Crabbe.« Er nickte dem Bediensteten zu, der sofort verschwand und wenige Minuten später mit dem angekündigten Pudding zurückkam.
Während Elizabeth ihren Pudding probierte und Ravenworth sich ebenfalls dem Teller vor ihm widmete, dachte sie darüber nach, wie sie den »Verruchten Grafen« langsam besser kennenlernte, auch wenn die Teile noch nicht recht zusammenpaßten. Er war ein Draufgänger, Weiberheld und Spieler und machte auch kein Geheimnis daraus. Doch es gab dazu diesen Ausdruck in seinem Blick, der sagte, daß er im Innern ein ganz anderer war.
Vielleicht war dabei aber auch nur Elizabeths Wunsch der Vater des Gedanken, vielleicht war er wirklich nur ein hoffnungsloser Draufgänger. Elizabeth war sich nicht mehr sicher - weder was der Graf für ein Mensch sein mochte noch warum ihr das so lebenswichtig erschien.
Der Abend erwies sich als überraschend angenehm, zumindest bis zu dem Moment, als sich Tante Sophie zurückgezogen hatte und sie und Ravenworth allein im Salon zurückblieben. Ihr unbekümmertes Gespräch wurde mit der Zeit stockender, und Ravenworth’ Blick wirkte im Lampenlicht seltsam dunkel.
Diese silbrigen Tiefen hatten etwas Beunruhigendes, und Elizabeth fiel das Atmen schwer, ihr Herzschlag wurde schneller. Sie schien ihre Augen nicht mehr von seinen Lippen abwenden zu können, während seine tiefer wanderten, bei der Rundung ihrer Brust innehielten. Das Zimmer war plötzlich heiß, ihre Haut gerötet und feucht.
Sie entschuldigte sich mit dem Vorwand, müde zu sein, und zog sich nach oben in ihr Zimmer
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