Was dein Herz verspricht
ihnen beiden etwas lag. Ihr
Rücken prickelte, als lägen in all den Blicken rasiermesser-scharfe Schneiden.
»Herr im Himmel, das ist doch wohl nicht Ravenworth«, murmelte jemand ganz in ihrer Nähe. »Der Mann ist ein Krimineller. So dreist kann er doch wohl nicht sein.«
»Doch, doch, er is’s«, bestätigte eine Matrone mit altmodischer, gepuderter Perücke. »Und die kleine Blonde ist seine Schwester.«
Der Arm des Herzogs unter ihrer Hand spannte sich an, doch er ging unbeirrt weiter. Elizabeth wurde es ganz elend, als sie noch andere solcher Stimmen vernahm.
»Wer ist die Rothaarige?« fragte ein adrett gekleideter junger Mann. »Die ist wirklich rassig.«
»Das, alter Freund, ist die Tochter von Sir Henry Woolcot. Ravenworth ist ihr Vormund.« Der andere kicherte leise. »Das macht nun wirklich den Bock zum Gärtner, findet ihr nicht?« Die beiden lachten - bis Beldon stehenblieb und sich umdrehte. Ein Blick aus diesen kühlen, braunen Augen, und jede Albernheit der beiden versiegte.
Sie schritten weiter unbeirrt durch den Ballsaal. Elizabeth zitterten die Knie, als sie den Rand der Tanzfläche erreichten. Der Herzog neigte kurz den Kopf, und das Orchester begann zu spielen. Wie es die Sitte verlangte, eröffnete er den Tanz, zunächst als Partner seiner Mutter, der höchstrangigen Frau im Raum. Den zweiten Tanz reservierte er für sie.
»Lächeln, meine Liebe, Ihr seht absolut umwerfend aus. Kein Grund zur Besorgnis.« Er warf Ravenworth einen kurzen Blick zu, der neben der Herzoginmutter nur wenig von ihnen entfernt stand. Nicholas’ Gesichtsausdruck war beredt, aber Elizabeth konnte ihn nicht entziffern.
Die Musik begann, und Beldon nahm seinen Platz ihr gegenüber auf dem schwarzweißen Marmorboden ein. »Er macht sich Sorgen um Euch«, sagte Beldon, als die Reihe der
Tänzer sich den Damen näherte. »Ihr könnt von Glück sagen, einen solchen Freund zu haben.«
Dazu konnte sie kaum etwas sagen. Freundschaft mit Nicholas Warring war das letzte, was sie wollte. Sie wollte, daß er sie liebte, und das wiederum wollte er nicht tun.
Der Herzog lächelte, Elizabeth ebenfalls. Wie Beldon gesagt hatte, war es absolut unerläßlich, daß die feine Gesellschaft ihre Gegenwart als selbstverständlich akzeptierte.
Er tanzte als nächstes mit Maggie, so daß sie beide in den schützenden Arm seiner Autorität gehüllt wurden. Von diesem Augenblick an begann der Ton in der Umgebung sich zu wandeln. Männer tauchten von allen Seiten neben ihr auf, und sie beobachtete, daß auch mehrere Frauen den Mut besaßen, Nicholas in ein Gespräch zu verwickeln.
Sie wehrte sich gegen den Stich von Eifersucht, den sie spürte. Sie wußte, wie der Graf war: ein Draufgänger und Weiberheld, egal, was er ihretwegen für Opfer brachte.
Sie zwang sich, den Blick abzuwenden und tanzte mit einem jungen Lord, den ihr die Herzogin vorstellte. Er war gutaussehend und charmant, doch keiner der von Sydney Birdsall anvisierten Verehrer.
Neben Lord Tricklewood standen auf der Liste noch Lord Addington Leech, der zweite Sohn des Grafen von Dryden, Sir Robert Tinsley und William Rutherford, Baron Talmadge. Sie hatten alle einen einwandfreien Ruf, doch heute abend war außer Lord Tricklewood nur Lord Talmadge gekommen, den Sydney ihr mit einem zufriedenen Lächeln vorstellte.
»Ihr solltet geschmeichelt sein, meine Liebe. Seine Lordschaft kam ausdrücklich, um Eure Bekanntschaft zu machen.«
Sie lächelte ihm zu, so glücklich sie konnte. »Sehr freundlich von Euch, Mylord.«
»Gar nicht. Sydney hat mir so viel über Euch erzählt, und ich sehe schon, daß wir uns gut verstehen werden.« Er war Ende Dreißig, hochgewachsen und schmal, mit ergrauenden Schläfen. Er war Witwer mit zwei kleinen Kindern. Es war natürlich ein reizvoller Gedanke, seinen Kindern die Mutter zu ersetzen, doch abgesehen davon fand sie den Mann etwas steif und seltsam.
Während sie mit ihm tanzte, versuchte sie, ihn nicht mit Ravenworth zu vergleichen, nicht Nicholas’ zärtliches Lächeln neben seine ernsten Züge zu setzen. Sie versuchte auch, nicht an die bewußte Nacht mit Nicholas zu denken, bemühte sich zu vergessen, wie es sich anfühlte, wenn er in ihr war.
Diese Gedanken waren Irrsinn, und doch konnte sie sie nicht stoppen. Ihr war klar, daß eine Ehe mit Talmadge nicht viel besser sein würde, als was sie bei Oliver Hampton erwartete.
Nick ging zum Schrank in seinem Arbeitszimmer und goß sich eine ordentliche Portion Gin in sein Glas.
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