Was der Nachtwind verspricht
»Ohne Kleid? Eine Verbeugung passt vielleicht besser.«
Sie ließ sich nicht ködern. Stefan beeilte sich zu sagen: »Keines von beiden ist erforderlich. Ich freue mich, Euch kennenzulernen, Alexandra. Meine Frau ist allerdings noch viel gespannter auf Euch, sie hat Euch für heute nachmittag in den Palast eingeladen.«
»Ich habe zu tu ...«
»Sie wird da sein «, unterbrach Wassili sie. Sein Blick sagte ihr, dass sie ihm jetzt besser nicht widersprach.
Sie ging darauf ein, obwohl sie nicht die Absicht hatte, sich ihm zu fügen. Es war ihr viel zu peinlich, ihre rustikalen Manieren auch am kardinischen Hof vorzuführen. Sie hatte sich während der ganzen Reise seinem Freund gegenüber sehr zurückhaltend verhalten und hatte vor, diese Distanz auch seinen königlichen Verwandten gegenüber zu wahren. Aber sie war nicht verrückt. Sie hatte Respekt vor einem König, wie jeder andere auch. Und König Stefan von Kardinien mit seinem Gesicht voller Narben und mit goldenen Augen, die noch auffälliger als die von Wassili waren, hätte ihr auch dann Respekt eingeflößt, wenn er nicht der König gewesen wäre. Je weniger sie mit ihm und seiner Frau zu tun hatte, desto besser.
Er muss te ihr Misstrauen gespürt haben, aber vielleicht war er auch so an diese Reaktion gewöhnt, dass er Vorstellungen immer kurzhielt. Jedenfalls nahm er ihre Hand - dazu muss te er sie erst aus der Hosentasche holen - und küsste ihren Handrücken. Dann sagte er: »Ich hoffe, dass ich Euch bald in meiner Familie willkommen heißen kann, Alexandra. Doch jetzt muss ich in den Palast zurück. Ich würde mir aber gerne noch Eure Hengste anschauen. Sie sind doch mit Euch zurückgekommen, nicht wahr?«
Sie nickte nur kurz. Stefan lächelte sie zum Abschied an und ging nach draußen, wo die Hengste nach dem scharfen Ritt noch ein wenig bewegt wurden. Sie sah ihm nach und hatte das unbehagliche Gefühl, dass sie ihn gern haben könnte, wenn sie wollte. Erst jetzt wurde ihr bewusst , dass Wassili immer noch neben ihr stand.
Sie wünschte, er wäre hinausgegangen. Alexandra fühlte sich in seiner Gegenwart nicht wohl, aber das war ja nie anders gewesen. Jetzt jedoch war sie ganz verwirrt von dem, was sie mitangehört hatte. Er hatte gelogen, als er behauptet hatte, er würde ihre Pferde verkaufen. Er hatte seine Bewunderung für ihre Tiere vor ihr verborgen, und auch die Tatsache, dass er ein ebenso großer Pferdekenner wie Lazar war. Er hatte wohl gedacht, dass er - wenn sie es gewusst hätte - in ihrer Achtung steigen würde und dass sie niemanden hassen könnte, der Pferde so liebte wie sie.
Sie würde ihm nicht sagen, dass sie seine Worte gehört hatte. Sie brauchte Zeit, um herauszufinden, warum er sie angelogen hatte. Und sie fragte sich, was er noch vor ihr verbergen mochte. Selbst dass er sie >meine Alex< genannt hatte - auf diese Worte hin war sie wie versteinert stehengeblieben -, ergab keinen Sinn für sie. Sie war beunruhigt über das kribbelnde Gefühl, dass sie dabei gespürt hatte.
Doch sie weigerte sich, an die Gefühle zu denken, die sie für ihn hegte, und kam zu dem Schluss , dass es sehr viel einfacher gewesen war, als sie ihn noch mit völliger Verachtung hatte behandeln können.
»Für heute nachmittag wirst du wohl eines dieser Kleider ausgraben müssen, die du angeblich besitzt«, sagte er zu ihr.
»Das werde ich nicht tun. Entschuldige mich bei ...«
»Du wirst hingehen, Alex. Du kannst die Einladung einer Königin genauso wenig ablehnen wie die eines Königs. Selbst du solltest das wissen.«
Auch jetzt wieder ließ sie sich nicht ködern, obwohl sein herablassender Ton es ihr sehr schwermachte. »Deine Mutter ist fest entschlossen, meine Vormittage mit komplettem Unsinn zu füllen, Petroff. Das lässt mir überhaupt keine Zeit für Besuche. Sag das deiner Königin.«
»Das werde ich ganz bestimmt nicht tun. Hast du bei meiner Mutter etwa die Geduld verloren?«
»Nein, ich habe mich ihren Wünschen gefügt, allerdings weiß ich nicht, wie lange ich das noch mitmachen werde. Sie ist jedenfalls der Meinung, wir hätten Fortschritte gemacht.«
»Ach ja?«
Alexandra schnaubte verächtlich. »Was glaubst du denn?«
Er grinste sie an. »Ich glaube, dass du machst, was du willst, trotz aller wohlmeinenden Ratschläge - mit Ausnahme von heute. Alex, du wirst um zwei Uhr entsprechend gekleidet auf mich warten. Ich werde dich in meiner Kutsche abholen ...«
»Nein ...«
»Du kannst dich auch von Stefans Soldaten
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