Was der Nachtwind verspricht
anderen Frauen auch - ohnmächtig zu Füßen sinkt. Also habe ich gefragt.«
»Sie hat dir das gesagt?«
»Natürlich nicht«, entgegnete Lazar. »Du weißt doch, dass sie kaum mit mir gesprochen hat. Nein, ich habe Nina gefragt, ihre Zofe. Sie hat mir dann von dieser wohl etwas widersprüchlichen Geschichte erzählt.«
»Was heißt das denn nun schon wieder?«
»Ihre Empörung war recht offensichtlich. Nina glaubt, dass das, was Alexandra für diesen Christopher Leighton empfindet, wohl kaum wahre Liebe ist. Sie ist außerdem der Meinung, nur Alexandras Starrköpfigkeit sei dafür verantwortlich, dass sie diesem Kerl nach so vielen Jahren immer noch treu ist.«
»Hat dir ihre Zofe gesagt, warum sie das denkt?« wurde er von Stefan gefragt.
»Weil Alexandra einfach ihr Leben weitergelebt hat, ohne vor Gram zu vergehen.«
»Über wie viele Jahre reden wir hier eigentlich?« wollte Serge wissen.
»Sieben.«
»Du lieber Himmel«, stöhnte Wassili.
»N un , das erklärt, warum es ihr peinlich ist«, sagte Tania. »Vermutlich hat die Zofe recht.«
Wassili sah sie an. »Warum?«
»Oh, das ist nur so ein Gefühl«, sagte Tania und wich ihm wieder aus.
»Wirf meiner Frau bloß keine bösen Blicke zu«, sagte Stefan, der sich bemühte, angesichts des jämmerlichen Zustandes von Wassili nicht in lautes Gelächter auszubrechen, obwohl das Ganze geradezu zum Schreien komisch war. Der Mann, der beinahe jede Frau hätte haben können, verlor ausgerechnet die Frau, die er heiraten wollte, und bekam keine andere Erklärung von ihr als die Worte, dass sie ihn nicht haben wollte. »Wenn Tania etwas im Vertrauen gesagt wurde, dann kannst du doch nicht von ihr erwarten, dass sie es dir weitererzählt.«
Und ob er das erwarten konnte! Wassili wollte wissen: »Auf welcher Seite steht sie denn eigentlich?«
»Auf deiner Seite«, versicherte ihm Tania lächelnd. »Deshalb freut es mich ja auch so, dass du dich endlich entschlossen hast, sie zu heiraten. Ich glaube, sie wird eine wunderbare Frau für dich sein, Wassili.«
Er sah sie vorwurfsvoll an. »Aber du wirst mir nicht sagen, warum du das denkst?«
»Nein. Aber ich bin sicher, dass Alexandra dir den Grund dafür sagen wird - wenn du sie finden kannst.«
35
Alexandra behagte es überhaupt nicht, dass sie schon wieder einen Monat unterwegs sein würde. So lange würde sie ungefähr brauchen, um nach England zu kommen. Genauso wenig gefiel es ihr, dass sie dieses Mal auf fremden Pferden reiten muss te. Sie vermisste ihre Pferde schon, bevor sie die Grenze Kardiniens überquert hatten. Daher war sie erleichtert, als Nina in Warschau Lady Beatrice Haversham kennenlernte und diese sie einlud, die Reise zusammen mit ihr in ihrer Kutsche fortzusetzen.
Lady Beatrice war Mitte Vierzig, etwas füllig um die Hüften und trug ihr blondes Haar immer noch so, wie es in ihrer Jugend modern gewesen war. Dank ihrer lachenden grauen Augen sah dies jedoch nicht ganz so lächerlich aus, wie es hätte sein können. Erstaunlicherweise erinnerte sie sich an Alexandra, die sie in deren einziger Saison in St. Petersburg kennengelernt hatte. Die englische Lady und ihr Mann, der inzwischen gestorben war, hatten damals die Stadt zusammen mit Freunden besucht, wo sie Alexandra bei mehreren gesellschaftlichen Anlässen getroffen hatte. Sie war auch bei jenem denkwürdigen Diner von Olga Romanowsky anwesend gewesen, das zu Alexandras inoffiziellem Hinauswurf aus St. Petersburg geführt hatte.
Aber gerade wegen dieses Diners hatte sich Lady Beatrice noch an Alexandra erinnert. Sie sagte zu Alexandra: »Ich habe noch nie im Leben so sehr gelacht, meine Liebe, und ich hoffe, es macht Euch nichts aus, aber alle meine Freunde zu Hause haben sich ganz köstlich über diese Geschichte amüsiert. Es war so ungeheuer einfallsreich von Euch, ein ganz ernstes Gesicht zu machen, als Ihr Prinzessin Olga sagtet, wie sie etwas abnehmen könne. Alle meine Freunde fanden es überaus komisch, und ich bringe meine Freunde doch so gern zum Lachen.«
Alexandra machte sich nicht die Mühe zu erwähnen, dass sie ihren Vorschlag ernst gemeint hatte. Sie erzählte Lady Beatrice auch nichts von den Folgen, die diese Worte für sie gehabt hatten. Und obwohl sie sich ihrerseits nicht mehr an die Engländerin erinnern konnte, gewann sie sie auf ihrer gemeinsamen Reise nach England lieb. Beatrice lachte wirklich von Herzen gern, und sie fand in allem und jedem etwas zum Lachen. Sie hielt sogar Alexandras Direktheit für
Weitere Kostenlose Bücher