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Was die Nacht verheißt

Titel: Was die Nacht verheißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Martin
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nirgendwo solche Bücher wie die, die sie hier in Marcus’ Kajüte gefunden hatte, Bücher von erstaunlicher Verschiedenheit: Gedichte von William Blake, Shakespeare, Wordsworth und Coleridge, Abenteuerromane wie Defoes Robinson Crusoe oder Radcliffes Geheimnisse von Udolpho, aber es gab auch politische Abhandlungen.
    Der Lehrer, den ihr Vater ihr damals besorgt hatte, hatte strenge Auflagen gehabt: Brandy sollte die Grundlagen des
    Lesens, des Schreibens und der Mathematik lernen, damit sie dem Wirtshaus bessere Dienste leisten konnte. Sie hatte auch ein wenig Latein gelernt, aber nur weil Mr. Munroe, ihr Lehrer, darauf bestanden hatte, dass das selbst für die grundlegendste Bildung nötig war.
    Jetzt, wo sie mit dem Finger über den Rücken des goldbedruckten Lederbandes eines Romans von Horace Walpole, Das Schloss von Otranto, strich, dankte sie Gott, dass sie lesen konnte. Zum ersten Mal hatte sie erfahren, dass es zwischen den Seiten eines Buchs ganze Welten zu entdecken gab.
    Brandy streckte sich noch einmal, rieb sich den Rücken und rollte die Schultern. So sehr sie sich der Stunden mit den Büchern des Kapitäns erfreut hatte, konnte sie doch nur eine beschränkte Zeit des Eingesperrtseins ertragen. Wenn Marcus heute Abend zurückkam, würde sie ihn bitten, ihre Strafe abzukürzen. Es würde noch viel besser sein zu lesen, wenn sie zwischendurch auch ein wenig Zeit auf Deck verbringen konnte.
    Erst kurz vor Mitternacht erschien er schließlich. Sie hatte die Stunden in verschiedenen Büchern vergraben verbracht und hatte sich dabei wirklich gut amüsiert. Aber nichts konnte Wind und Sonne und den endlosen Blick auf den Ozean ersetzen, wenn die Seehabicht das Wasser durchschnitt. Nichts war zu vergleichen mit der Begeisterung, die sie empfand, ein so schönes Schiff unter vollen Segeln das Meer herausfordern zu sehen.
    Als Marcus hereinkam, war sie bereit, ihm entgegenzutreten, vor ihm auf die Knie zu gehen, wenn es nötig sein sollte. Sie hörte ihn an der Tür und stand von ihrer schmalen Koje auf, um durch den Vorhang in seine Kajüte zu gehen.
    Er drehte sich um, als sie hereinkam. »Ihr solltet doch schlafen. Stimmt etwas nicht?«
    Sie nahm allen Mut zusammen. »Eigentlich ja. Mir ist klar, dass Ihr gute Gründe hattet, mir zu befehlen, in Eurer Kajüte zu bleiben, wenn man bedenkt, was mit Mr. Sharpe geschehen ist, aber ich habe mich gefragt ... ich meine, gehofft ... ich könnte Euch dazu überreden, mich jeden Tag ein wenig an Deck gehen zu lassen - wenigstens lange genug, um ein wenig frische Luft und einen Blick auf den Ozean zu bekommen.«
    Marcus schüttelte den Kopf. »Ich weiß, wie Ihr darüber denkt. Und ich habe es mir noch nicht anders überlegt.«
    »Bitte, Kapitän Delaine. Ich habe jetzt drei Tage mit Lesen verbracht. Das hat mir Spaß gemacht - mehr, als ich je erwartet hätte -, aber ich kann ja nicht für immer eingesperrt bleiben.«
    Ein schwaches Lächeln umspielte seine Mundwinkel. »Wohl kaum für immer. In etwa einer Woche erreichen wir die Inseln. Sobald wir dort sind, dürft Ihr an Land gehen.«
    »Etwa eine Woche ? Bis dahin werde ich völlig durchdrehen.«
    »Das tut mir Leid, denn so wird es sein. Geht ins Bett, Miss Winters. Wenn wir Glück haben, können wir vielleicht beide ein paar Stunden schlafen.«
    Brandy beherrschte ihre Wut. Sie verfluchte im Stillen Marcus Delaine dafür, dass er so stur war, und sich selbst, weil sie dieses Abenteuer je angefangen hatte. Sie machte kehrt, marschierte aus dem Zimmer und brummelte etwas, wovon sie sich wünschte, sie hätte den Mut, es laut auszusprechen.
    Sie erwachte früh am nächsten Morgen. Sicher, dass Marcus schon aufgestanden und fortgegangen war, zog sie sich schnell an, öffnete den Vorhang und blieb wie angewurzelt stehen.
    Auf der anderen Seite der Kajüte stand Marcus vor der Porzellanschüssel auf seinem Toilettentisch, und dicker weißer Rasierschaum bedeckte wie ein Kissen die untere Hälfte seines Gesichts. Er war bis zur Taille nackt, seine engen schwarzen Kniehosen saßen tief auf seinen schmalen Hüften, und krauses schwarzes Haar lief pfeilförmig von seiner Brust abwärts, um schließlich im Bund seiner Hose zu verschwinden.
    Brandy starrte ihn einfach nur an, sie konnte den Blick nicht mehr von seinem langen, muskulösen Oberkörper, seinen unglaublich breiten Schultern und dem Waschbrettmuster auf seinem Bauch abwenden. Sie hatte gewusst, dass er stark und gut gebaut war, aber sie hätte sich nie vorstellen

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