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Was die Toten wissen

Was die Toten wissen

Titel: Was die Toten wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lippman
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Argwohns und der Klagen.
    »Was ist in diesen Kisten?«, überfiel sie ihn bei seiner Heimkehr. »Drogen? Wenn die Polizei kommt, ich lüge nicht für dich.«

    Er legte einen Dungfladen in den Topf, fügte ein Stück in Ghee eingelegten Kampfer dazu und danach den restlichen Dung und die Reiskörner. Dann warf er einen Blick auf seine Armbanduhr, um zu sehen, ob der exakte Zeitpunkt des Sonnenuntergangs gekommen war.
    »Agnaye Svaha«, sagte er und opferte einen Teil der Reiskörner. »Agnaye Idam Na Mama.«
    Die meisten gingen davon aus, dass er den Fünffachen Pfad ebenfalls von seinen Reisen mitgebracht hatte, aber er war bereits bei der Behörde und mit Miriam verheiratet, als er das erste Mal davon hörte. Es war auf einer Party, die in einer wunderschönen viktorianischen Villa in Old Sudbrook stattfand. Dave hatte bislang keine Vorstellung davon gehabt, dass es derartige Häuser überhaupt gab, und schon gar nicht derartige Menschen, und das, obwohl Herb und Estelle Turner keine zwei Meilen von der ehemaligen Wohnung seiner Mutter entfernt wohnten. Die Turners waren herzlich und gleichzeitig zurückhaltend, und Dave nahm an, dass ihre ernste Würde vom Fünffachen Pfad herrührte. Es dauerte eine ganze Weile, bis er von dem Kummer mit ihrer Tochter erfuhr oder von Estelles schlechtem Gesundheitszustand. Und obwohl Miriam dem Paar gegenüber skeptisch blieb und sie in Verdacht hatte, an jenem Abend nur nach neuen Anhängern Ausschau gehalten zu haben, musste sie zugeben, dass sie den Fünffachen Pfad erst erwähnten, nachdem sich Dave nach dem süßlichrauchigen Geruch im Haus erkundigt hatte. Zuerst hatte er vermutet, oder besser gehofft, es sei Gras, was er und Miriam schon immer einmal ausprobieren wollten. Aber der süßliche Duft kam vom Sonnenaufgangs-/Sonnenuntergangsritual des Agnihotras, und es war fast, als hätte er sich im Gemäuer festgesetzt. Während Estelle Turner den Geruch und seine Bedeutung für den Fünffachen Pfad erläuterte, erkannte Dave darin die Möglichkeit, so zu sein wie die Turners – kultiviert und selbstbewusst, mit einem edlen und dennoch schlichten Haus.

    Miriam, für ihren Teil, behauptete, dass durch das Agnihotra das Haus buchstäblich nach Scheiße roch. Als sie in die Algonquin Lane zogen, hatte sie sich unerbittlich gezeigt und von Dave verlangt, dass er seine Übungen nur im Arbeitszimmer bei geschlossener Tür vollzog. Selbst dann noch war sie an dem Fettfilm verzweifelt, den der Ghee auf den Wänden hinterließ und der sämtlichen Reinigungsmethoden trotzte. Jetzt hätte er den Hotra wahrscheinlich auf den Esstisch stellen können, und Miriam hätte keinen Mucks von sich gegeben. Sie machte ihm keine Vorwürfe mehr. Es fehlte ihm beinahe. Beinahe.
    Beruhige deinen Geist , ermahnte er sich. Konzentrier dich auf das Mantra. Die Übung ergab keinen Sinn, wenn er sich nicht voll und ganz darauf einließ.
    »Prajapataye Svaha«, sagte er und opferte die zweite Gabe. »Prajapataye Idam Na Mama.«
    Jetzt musste er meditieren, bis das Feuer erloschen war.
     
    Die Reporter waren jeweils im Dreierpack erschienen – drei Zeitungen, drei Fernseh- und drei Radiosender, drei Nachrichtenagenturen. In jeder Gruppe gab es einen Reporter, der Dave und Miriam zu einem exklusiven, persönlichen Gespräch drängte, aber selbst die Neulinge unter ihnen zeigten Verständnis, als Chet ihnen erklärte, dass die Bethanys die Geschichte nur soundsovielmal wiederholen wollten, einmal für jedes Medium. Die Reporter waren alle gleichermaßen höflich und zuvorkommend, traten sich die Füße auf der Türmatte ab, bewunderten das Haus, an dem im letzten Jahr nichts weiter getan worden war. Sie sprachen leise, stellten ihre Fragen umsichtig. Einer jungen Frau von Channel 13 schossen sofort die Tränen in die Augen, als sie die Fotos der Mädchen betrachtete. Dies hier waren nicht die Porträts vom Schulfotografen, die Aufnahmen vor dem himmelblauen Hintergrund. Die Fernsehleute hatten Dave und Miriam erklärt, diese Fotos
wären so oft gezeigt worden, dass sie ihre »Wirkung« verloren hatten, und dass es besser wäre, neue zu zeigen. Sie wählten Schnappschüsse aus Daves Arbeitszimmer, Erinnerungen an einen Ausflug zum Zauberwald an der Route 40. Darauf saß Heather im Schneidersitz auf einem Fliegenpilz, während Sunny, die Arme in die Seiten gestemmt, so tat, als amüsierte sie sich. In Daves Erinnerung war es ein prachtvoller Tag gewesen, Sunnys pubertäre Launenhaftigkeit hielt sich in

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