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Was du nicht weißt: Roman (German Edition)

Was du nicht weißt: Roman (German Edition)

Titel: Was du nicht weißt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Beling
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schrecklichen Minuten des Autounfalls, bei dem ihre Eltern umgekommen waren und den sie als Sechzehnjährige auf dem Rücksitz überlebt hatte? In vielen Nächten kehrten die blutigen Bilder mit grausamer Realität in ihren Kopf zurück, ohne dass sie sich dagegen wehren konnte.
    Was war mit den unerträglichen Schmerzen, den ihr ein Beinbruch vor fünf Jahren beschert hatte? Noch heute – sie brauchte sich nur mit dem Küchenmesser in den Finger zu schneiden – spürte sie diese bohrende Mischung aus dumpfen, scharfen und knochentief vibrierenden Schmerzen in ihrem Bein, als sei es gerade erst passiert.
    Was war mit den schlaflosen Nächten voller Angst, als sie vor einigen Jahren einen Knoten in ihrer rechten Brust ertastet hatte, der sich später zum Glück als harmlos herausgestellt hatte?
    Mit dem Handrücken fuhr Emily sich über das Gesicht. Feuchte Spuren schwarzer Wimperntusche blieben auf den Wangen zurück.
    »Und meine Albträume? Wie ertrage ich die?«, flüsterte sie unter Tränen.
    Professor Riddington gab keine Antwort. Sie wusste, was sein Schweigen bedeutete. Für den Rest ihres Lebens würde sie dazu verdammt sein, sich jeden Tag neu mit den dunkelsten und schmerzhaftesten Momenten ihrer Erinnerung zu quälen.
    Das Geschenk des Vergessens war ihr nie wieder vergönnt.
    11.35 Uhr. Wie ausgebrannt kam sie nach Hause zurück. Ihr schönes altes Cottage auf der Anhöhe über St. Brelade’s Bay erschien ihr plötzlich grau, obwohl genau in diesem Augenblick ein Strahl Sonne durch die Wolken brach und über den blühenden Garten wanderte. Ohne es zu bemerken, schloss sie die dunkelgrün lackierte Haustür. Sie hoffte inständig, dass Richard dahinter stand und sie in den Arm nahm.
    11.43 Uhr. Er war nicht da. Auf dem Küchentisch stand noch sein Frühstücksteller voller Krümel, darauf die blaue Teetasse. Kein Gruß, gar nichts. Bitter enttäuscht ging Emily durch den Flur ins Schlafzimmer, um sich auszuziehen. Sie hatte nur noch den Wunsch, sich von allem zu reinigen, was ihr heute widerfahren war.
    Als sie den Raum mit der niedrigen alten Balkendecke betrat, fielen ihr sofort die offenen Schranktüren auf. Entsetzt musste sie feststellen, dass Richards Hälfte der Fächer, seine Kleiderbügel und sämtliche Schubladen für Strümpfe und Unterwäsche leer geräumt waren. Ungläubig trat sie einen Schritt zurück und ließ sich aufs Bett fallen. Es gab keinen Zweifel – Richard hatte sie verlassen.
    Ihr wurde schwindelig.
    18.20 Uhr. Ein Anruf der Polizei ließ Emily endgültig zusammenbrechen. Drei Meilen vor der französischen Küste hatte man Richards Segelschiff entdeckt, herrenlos auf dem Meer treibend. Nur die beiden Reisetaschen mit seinen persönlichen Sachen standen noch in der Kajüte. Das vordere Deck war voller Blut. Zwei blutbeschmierte Messer, die im Ankerkasten versteckt waren, deuteten auf einen Kampf hin, machten aber Richards mysteriöses Verschwinden nur noch rätselhafter.
    Emilys Finger verkrampften sich um den Telefonhörer. Sie konnte nicht einmal schreien …
    Fast wütend über ihre Erinnerung warf Emily die warme Daunendecke zur Seite, setzte sich auf den quietschenden Bettrand und atmete ein paar Mal tief durch. Langsam kam sie wieder zur Ruhe. Eigentlich hatte sie diese schlimme Zeit überwunden. Das Einzige, was sie in all den Jahren nicht fertiggebracht hatte, war, ihren Mann für tot erklären zu lassen. Seine Leiche hatte man nie gefunden.
    Alles, was Professor Riddington ihr prophezeit hatte, war eingetroffen. Mit jedem Jahr, das sie älter geworden war, hatte ihre besondere Gedächtnisleistung zugenommen. Heute war sie so weit, dass sie ohne Probleme nicht nur Gespräche, sondern sogar ganze Zeitungsinhalte oder Fernsehsendungen, die sie vor Monaten gesehen hatte, wortwörtlich wiedergeben konnte.
    Um andere Menschen nicht zu erschrecken, machte sie jedoch nur selten Gebrauch davon. Sie versuchte, das Ganze mit Humor zu nehmen. Nur einige enge Freunde wussten Bescheid. Sie kam sich vor wie eine Hexe, die ihre Fähigkeiten für sich behalten musste, damit sie nicht die Sympathie der anderen verlor.
    Gedächtnishexe hatte ihr Sohn sie einmal im Spaß genannt.
    Auch der Chef de Police der Gemeinde St. Brelade, Harold Conway, glaubte an die negative Kraft schlechter Mondnächte, und so fühlte er sich heute unausgeschlafen und gerädert. Nach so wenig Schlaf frühmorgens am Flughafen herumstehen zu müssen, ärgerte ihn sehr.
    Obwohl er Glück hatte, weil er heute von

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