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Was du nicht weißt: Roman (German Edition)

Was du nicht weißt: Roman (German Edition)

Titel: Was du nicht weißt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Beling
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fröhlich aus«, sagte Emily erstaunt, während sie den Tee in die Tüte abfüllte. »Geht es dir wieder besser?«
    »Viel besser«, antwortete Debbie fast beschwingt. »Kennen Sie das, wenn man das Gefühl hat, ein ganz neues Kapitel im Leben fängt an?«
    »Oh ja«, meinte Emily. Wie selbstverständlich ging sie davon aus, dass die strahlende junge Frau, die vor ihr stand, frisch verliebt war, was jeder Debbie von Herzen gewünscht hätte. »Das klingt ja nach einer Lovestory.«
    Debbie schüttelte den Kopf. »Nein, überhaupt nicht … Es ist ganz anders. Aber manchmal begegnet man Menschen, die einen überraschen. Und man wünscht sich, dass man sie schon viel früher getroffen hätte, weil sie dann eine ganze andere Rolle im eigenen Leben gespielt hätten …«
    »Ja, so etwas gibt es. Und so jemandem bist du begegnet? Beruflich oder privat?«
    Debbie zögerte. »Rein beruflich.« Sie lächelte zuversichtlich. »Vielleicht verläuft mein Leben ja doch noch in normalen Bahnen.«
    Emily überlegte. Der Tod des kleinen David lag mittlerweile vier Monate zurück. Sie verschloss die silberfarbene Teetüte, klebte ihr schmales Firmenzeichen wie ein Siegel obendrauf und sagte:
    »Was heißt denn noch , Debbie? Du bist ja noch jung. Jetzt geht das Leben für dich erst richtig los.«
    Mit einem dankbaren Strahlen nahm Debbie die Teetüte entgegen. So entspannt hatte Emily sie schon lange nicht mehr gesehen.
    »Stimmt schon«, sagte sie zufrieden. »Man muss mich manchmal nur daran erinnern.«
    Sie hielt Emily eine nagelneue Hundertpfundnote hin. »Ich hoffe, Sie können wechseln, Mrs. Bloom, ich hab’s diesmal leider nicht kleiner.«
    Emily öffnete wieder die Augen.
    So könnte es gewesen sein. Debbie hatte Kontakt zu ihrem leiblichen Vater aufgenommen. Hatte sie ihn vielleicht doch erpresst? Oder ging es um einen ganz anderen Menschen, dem sie begegnet war?
    Emily war irritiert.
    Es muss doch noch festzustellen sein, dachte sie, auf welchen Gutshöfen man vor zweiunddreißig Jahren noch Black Butter -Feste gefeiert hatte. Viele konnten es nicht gewesen sein.
    Sie griff zum Telefon. Die Einzige, die ihr jetzt weiterhelfen konnte, war ihre Freundin Helen Keating. Irgendwo auf ihren weitläufigen Lavendelfeldern erwischte man Helen immer, selbst abends. Nur an einem Nachmittag in der Woche half sie als studierte Historikerin im Jersey-Archiv aus, um die Berge von alten Zeitungen und handschriftlichen Aufzeichnungen zu sortieren, die dort landeten.
    Emily brauchte es nicht lange klingeln zu lassen, bis Helen an den Apparat kam. »Keating Lavendelpark, guten Tag!«
    »Ich bin’s«, sagte Emily. »Darf ich dich stören, oder hast du gerade eine Besuchergruppe?«
    Helen schien ihr dankbar zu sein für die kleine Unterbrechung. Mit ihrer kräftigen Stimme posaunte sie in den Hörer: »Im Gegenteil, du kommst mir gerade recht. Ich hatte den ganzen Vormittag Aufkäufer aus England hier. Das ist Stress hoch drei, sag ich dir.«
    »Warst du wenigstens erfolgreich?«
    »Ja, irgendwie mögen sie meinen Lavendel.«
    Emily musste schmunzeln. Dieser Tonfall war typisch für Helen. »Ich brauche deine Hilfe«, sagte sie. »Kannst du im Archiv etwas für mich nachschauen?«
    »Was brauchst du?«
    »Ich müsste wissen, wie viele Höfe vor zweiunddreißig Jahren noch Black Butter -Nächte gefeiert haben.«
    Helen lachte kurz auf. » Black Butter -Nächte? Du liebe Zeit, die gibt’s ja kaum noch! Das war schon vor zweiunddreißig Jahren so. Die Leute haben auch damals kaum noch was getrunken.«
    Helens Bedauern über das allmähliche Verschwinden der fröhlichen Partykultur, die in den späten sechziger Jahren aus London auf die Insel herübergeschwappt war, war nicht zu überhören. Sie hatte schon oft darüber gejammert. Dabei war sie früher alles andere als ein Partytier gewesen, eher eine stille Mitläuferin. Doch Emily wusste, dass sich ab einem gewissen Alter die eigene Rolle in der Jugend gerne verklärte.
    Beruhigend antwortete sie:
    »Natürlich weiß ich das. Aber ihr habt doch diese Chroniken, in denen solche Ereignisse festgehalten werden.«
    »Gut, dann krieche ich heute Abend mal ins hinterste Archiv.« Helen seufzte. »Bis wann brauchst du eine Antwort?«
    »So schnell wie möglich.«
    »Warum willst du das eigentlich wissen?«
    »Ich möchte jemanden damit überraschen«, antwortete Emily wahrheitsgemäß. Helen und sie hatten sich noch nie angelogen. Und das sollte sich auch nicht ändern, nur weil sie gerade mit einem

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