Was du nicht weißt: Roman (German Edition)
Und niemand wunderte sich, dass die Besitzer es auf die Liste des Blumenfestivals geschafft hatten. Alex und Louise Flair mochten zwar Angeber sein, aber ihr Garten war atemberaubend schön. Selbst wenn die riesigen Phönixpalmen nicht langsam gewachsen, sondern bereits in stattlicher Höhe für viel Geld gekauft worden waren – wen störte das schon? Auch die gefächerte Washingtonia von nie gesehener Größe, die dichten Reihen blühender Büsche und die Hänge voller Wildblumen wogen das leicht wieder auf.
Alex Flair war es egal, was die Leute redeten. Ihm kam es nur darauf an, dass Louise endlich Ruhe gab. Seit Jahren hatte sie ihm wegen des Gartens in den Ohren gelegen, jetzt durfte sie endlich die Pracht ihrer aufwändigen Schöpfung vorzeigen.
Der lange herbeigesehnte Tag der offiziellen Eröffnung war gekommen. Und als gewiefter Unternehmer hatte Alex Flair dafür gesorgt, dass Louise ihn auch opulent beging. Die erlesenen Einladungskarten auf italienischem Büttenpapier wurden nur an wirklich wichtige Leute verschickt: Vertreter der Regierung, befreundete Rotarier, Louises plappernde Ladys aus dem Golfclub, Gartenarchitekten und natürlich die Presse. Bedauerlicherweise konnte Richter Edward Waterhouse, der junge Nachfolger von John Willingham am Gericht und ebenfalls Rotarier, nicht selbst erscheinen. Er wollte sich jedoch durch seine Schwester vertreten lassen.
Von seinem Terrassenplatz aus beobachtete Alex Flair mit zufriedener Miene, wie Louise – die neue Perlenkette um den Hals – ein letztes Mal prüfend durch die Reihen der elegant gedeckten Stehtische ging. Auf dem grünen Rasen wirkten die Tische wie weiße Margaritentupfer. Während Louise ihrem Dienstmädchen ein paar Rosen aus der Hand nahm und die Blumensträuße auf den Tischen damit ergänzte, fiel Alex auf, dass sie schon wieder zugenommen hatte. Selbst das teure malvenfarbene Kostüm aus Mailand konnte ihre hundertsechzig Pfund nicht mehr kaschieren. Ein Rest von wahrer Liebe in ihm weigerte sich, diesen Zustand zu akzeptieren. Er nahm sich fest vor, ihr von seinem Spezialisten wieder einmal einen dieser wirkungsvollen Spezialcocktails zum Abnehmen mixen zu lassen.
Manchmal gönnte er sich in Italien eine Geliebte. Doch momentan stand das kleine Apartment nahe des Mailänder Doms leer. Bei seinen verschwiegenen Freunden im Club klagte er zwar gerne zynisch darüber, dass man leider erst mit fünfzig merke, wie viele herrliche Erektionen man mit zwanzig nutzlos hatte verstreichen lassen, doch das war reine Koketterie. In Wirklichkeit war er mit seinem Leben höchst zufrieden.
Seine Millionen hatte er schon mit Anfang dreißig durch eine geniale Idee gemacht. Mehrmals im Jahr flog er nach Italien und besuchte dort die Schuhmessen. Schon nach wenigen Tagen kehrte er mit prall gefülltem Gepäck nach Jersey zurück. In seinen Koffern befanden sich dann Dutzende neuer Schuhmodelle, wunderschöne italienische Exemplare, vorzüglich gearbeitet, aus feinstem polierten Leder. In Alex Flairs Augen hatten sie nur einen Nachteil: Sie waren zu teuer.
Also schickte er sie per Boten weiter nach Thailand, wo er Vertragspartner hatte, die mit ihm der Meinung waren, dass Schuhe erschwinglich sein müssten. In vier Werken zwischen Phuket und Chiang Mai begann dann die Arbeit des Kopierens. Zugegeben, das Leder aus Thailand war vielleicht nicht ganz so glänzend wie das aus Mailand, aber der Rest war täuschend ähnlich. Und so landete jede neue Schuhkollektion von Alex Flair schon Wochen später in den Kaufhäusern von ganz Europa, für einen unschlagbar niedrigen Preis und mit einem Design, vom dem sich sogar die Italiener eine Scheibe abschneiden konnten.
Die ersten Gäste trafen ein. Louise küsste ihre Freundinnen auf die Wange.
»Elena … und da ist ja auch Colette! Ich dachte, du bist in London!«
»Nein, wir sind gestern zurückgekommen.«
Alex Flair knöpfte seinen dunkelblauen Blazer zu und stellte sich neben seine Frau, um die nächsten Gäste zu begrüßen. Während er Dutzende von Händen schüttelte, wurden die eingetroffenen Besucher großzügig mit Champagner versorgt. Danach schlenderten sie neugierig durch den Park. Unter ihren Schuhen knirschte der feine Kies. Ganz besonders begeistert waren alle von Louises englischen Rosen und dem Seerosenteich. Begleitet von leiser Musik warfen drei runde Springbrunnen ihr Wasser in die Luft. Die Lautsprecher waren oben in den Bäumen angebracht.
Louises Sinn für Effekte ist wirklich
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