Was du nicht weißt: Roman (German Edition)
aufbekam, wenn man mit ihm redete, der aber reiten konnte wie der Teufel.
Dann gab es noch den fast fünfundsiebzigjährigen Stallmeister Henry Coland und zwei junge Burschen namens Carlo und Josh, der eine Italiener, der andere ein 18-jähriger Junge aus Guernsey.
Während Willingham am Anfang noch der Meinung war, dass dem unfreundlichen Henry Coland durchaus ein Verrat an Frank Guiton zuzutrauen sei, lernte er schnell, dass Coland in Wirklichkeit die Seele des Gestüts war. Auf krummen Beinen und stets schlecht gelaunt ging der alte Stallmeister jeden Morgen durch die Stallgasse und bellte den verschreckten Nachwuchsbereitern seine Anweisungen zu. Er hatte vor niemandem Respekt.
Erst als Willingham sich in der Sattelkammer mit dem alten Mann auf ein Feierabendbier zusammengesetzt hatte, war ihm klar geworden, was Coland leistete. Er hatte schon unter Frank Guitons Vater gearbeitet, und er bewunderte Frank mehr, als dieser ahnte.
»Was meinen Sie?«, hatte Coland mit knarziger Stimme geknurrt. »Hab schon gedacht, ob ich den Chef einfach mal im Krankenhaus anrufe. Ob ihm das recht ist?«
Überrascht von diesem Gefühlsausbruch, hatte Willingham gesagt: »Tun Sie das. Ich wette, er springt vor Freude aus dem Bett, wenn er Ihre Stimme hört.«
Coland hatte so laut gewiehert, dass die Pferde erschraken.
In der darauffolgenden Nacht war Willingham auf die Idee mit dem Telefon gekommen.
Ihm war bei einer Rechnung aufgefallen, dass Guiton erst vor wenigen Monaten für teures Geld sein veraltetes Telefonsystem erneuert hatte. Aus der Verwaltung im Gericht wusste Willingham, dass die meisten neuen Zentralgeräte mit einer automatischen Nummernspeicherung ausgerüstet waren. Damit konnte man in Betrieben mit vielen Nebenstellen – wie es auf dem Gestüt der Fall war – jederzeit die Kostenkontrolle über Dienstgespräche behalten.
In einer ruhigen Mittagsstunde zog Willingham sich in Guitons Büro zurück, schloss die Tür hinter sich ab und begann damit, die Gebrauchsanleitung für das interne Telefonnetz zu studieren. Er wusste, dass er für die nächste Dreiviertelstunde ungestört bleiben würde, denn die Angestellten saßen unten in der Vorhalle am runden Tisch und ließen sich das schmecken, was die Haushälterin für sie gekocht hatte.
Es half Willingham, dass er trotz seiner akademischen Laufbahn ein Tüftler geblieben war. Im Nu hatte er das Telefonsystem durchschaut. Es war gar nicht schwer, die Liste mit allen Telefongesprächen der letzten Wochen auszudrucken. Noch bevor die offizielle Mittagspause um war, nahm Willingham zufrieden eine fünfseitige Liste aus dem Drucker. Darauf waren sämtliche Telefonate verzeichnet, die im Gestüt von Anfang April bis heute geführt worden waren.
Er war selbst überrascht, wie einfach alles ging. Mit Hilfe von Guitons handgeschriebenem Telefonheft, das auf dem Schreibtisch lag, konnte er die meisten Telefonnummern ziemlich rasch Kunden und Lieferanten zuordnen. Natürlich waren auch viele Gespräche zwischen Debbie Farrow und Frank Guiton dabei, wie er beklommen feststellen musste.
Doch dann kam die Überraschung.
Es gab auf der Liste nur eine einzige Nummer, die nirgendwo verzeichnet war. Ausgerechnet von einem Nebenapparat im Aufenthaltsraum der Bereiter war sie in letzter Zeit zweimal angewählt worden, einmal vor einer Woche, das zweite Mal gestern.
Willingham leckte Blut. Er spürte, dass etwas nicht stimmte. In kriegerischer Laune griff er zum Telefon und wählte die Nummer. Er würde sofort wieder auflegen, sobald sich jemand mit Namen meldete.
Es lief nur der Anrufbeantworter. Ein gewisser Alan Fonteau bedauerte, dass man ihn zurzeit nicht erreichen könne.
Willingham hätte nicht überraschter sein können. Fonteau war der Gemüsehändler aus St. Ouen, einer der beiden Zeugen, die gegen Frank Guiton ausgesagt hatten. Wer hatte ihn von hier aus angerufen?
Es gab also doch einen Verräter auf dem Gestüt.
Und es konnte nur noch eine Frage von Stunden sein, bis Willingham ihn überführt hatte.
Trotz ihrer großen Sorge um Constance stand Emily an der Seite von Tim im Teeladen, um sich abzulenken. Doch es fiel ihr schwer. Gerade hatte Constable Sandra Querée im Auftrag von Harold Conway angerufen und berichtet, die Polizei hätte noch immer keine Spur von Constance gefunden.
Emily quälte sich zunehmend mit dem Gedanken, dass sie der Polizei seit Tagen etwas verschwieg. Sie musste Harold endlich alles erzählen, was sie über Trevor de Sagan und
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