Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)
Er schwieg.
»Hat er mit deiner Mutter geschlafen oder was?«
Jamies Ausdruck verhärtete sich. »Mit meiner Schwester.«
Ich machte den Mund auf, doch zuerst kam kein Ton heraus. Dann sagte ich: »Ich wusste gar nicht, dass du eine Schwester hast.«
»Sie ist fertig mit der Schule. Sie war in der Zwölften, als Noah hier anfing.«
»Vielleicht … vielleicht mochte er sie ja«, sagte ich und spürte ein Ziehen in der Brust.
Jamie lachte bellend. »Ganz sicher nicht. Er hat sie nur benutzt, um etwas klarzustellen.«
»Und was war das?«
Jamie legte den Kopf in den Nacken und sah in den Himmel. »Du weißt, dass ich eine Klasse übersprungen habe, nicht?«, fragte er und ich nickte. »Also, ich war in der gleichen Klasse wie seine kleine Schwester Katie. Als Noah und Katie hier anfingen, hatte sie Probleme mit dem Stoff. Also habe ich ihr geholfen.«
»So,wie du mir geholfen hast.«
»Schon, nur dass wir vielleicht auch ein bisschen gezüngelt haben. Ich weiß es nicht mehr«, sagte Jamie, als ich ein skeptisches Gesicht machte. »Auf jeden Fall«, sagte er mit Nachdruck, »hat mich Noah auf frischer Tat, das heißt, mit der Hand unter ihrem Rock erwischt – sie trägt übrigens Tangas. Hammergeil. Und einen Tag später kam ich nach Hause und meine superintelligente, pragmatische Schwester Stephanie kennt kein anderes Thema mehr als Noah.«
Ich spürte einen stechenden Schmerz in der Brust. »Vielleicht mochte sie ihn«, sagte ich leise.
»Und ob sie ihn mochte. Bis sie eines Samstagabends nach einer Verabredung heulend nach Hause kam.« Jamie verengte die Augen, als er sah, wie Noah von einem anderen Gebäude zu uns herüberkam. »Noah hatte sie gedemütigt. Sie wollte sofort die Schule wechseln und meine Eltern haben es ihr erlaubt.«
»Geht es ihr gut?«
Jamie lachte. »Ja. Sie geht jetzt aufs College, das Ganze ist schon zwei Jahre her. Aber sie zu benutzen, nur um etwas klarzustellen? Das ist krank.«
Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Ich wollte Noah verteidigen, aber konnte ich das guten Gewissens tun? Also sagte ich stattdessen etwas anderes. »Was ist aus dir und Katie geworden?«
»Nichts. Ich wollte nicht, dass er Stephanies Leben noch mehr ruiniert als ohnehin schon, also habe ich die Sache beendet.« Jamie nagte an seiner Unterlippe. »Ich hatte sie wirklich gern.« Er neigte den Kopf und seine Dreadlocks fielen zur Seite. »Aber das spielt alles keine Rolle, weil du nicht auf deinen schwarzen jüdischen Vorzeigefreund, der gern von beiden Tellern nascht, hören wirst, nicht?«
Mein Blick begegnete Noahs, der auf uns zugeschlendert kam. »Keine Ahnung«, sagte ich zu Jamie, ohne Noah aus den Augen zu lassen.
»Das ist deine Sache.« Jamie verstummte, wenige Sekunden bevor Noah uns erreichte.
»Roth«, sagte Noah und neigte den Kopf.
»Shaw.« Jamie nickte zurück.
Noah trat hinter mich und küsste mir auf die Schulter, als hinter der Treppe plötzlich Anna und Aiden auftauchten.
»Himmel, Mara, klammerst du dich immer noch an ihn?«, fragte Anna und nickte Noah zu. Sie schnalzte mit der Zunge. »Ist es das, was mir gefehlt hat, Noah?«
»Die Liste dessen, was dir fehlt, Anna, ist länger als die Aufnahmeliste der Obdachlosenambulanz von South Beach«, sagte Jamie, und ich war überrascht, seine Stimme zu hören. »Auch wenn ich sicher bin, dass in deiner Beutestatistik die gleichen Namen auftauchen.«
Ich warf Jamie ein verschwörerisches Lächeln zu. Er trat für mich ein. Obwohl er mit meinen Entscheidungen nicht einverstanden war. Er war wirklich ein echter Freund.
Anna stand mit offenem Mund da, bis Aiden sie an der Bluse zu sich zog, um mit ihr zu tuscheln. Ein hinterhältiges Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus, als sie sich gleichzeitig mit dem Klingelzeichen abwandten.
Erst als ich aus der Bioprüfung kam und Noahs Gesicht sah, merkte ich, dass etwas faul war. Und zwar gewaltig.
»Wasist passiert?«, fragte ich, als er mich vom Parkplatz in Richtung Schließfächer lotste.
»Das will Jamie dir selber sagen. Er hat mich gebeten, dich zu holen«, sagte Noah. »Dabei hat er in den letzten Jahren kaum ein Wort mit mir gewechselt. Also, gehen wir.«
Ich war wie vom Donner gerührt. Was konnte in den letzten beiden Stunden passiert sein? Als wir bei Jamies Schließfach um die Ecke bogen, war er dabei, seine Sachen einzupacken. Nicht nur seine Bücher, auch seine Bilder, Notizen … einfach alles. Er räumte das Fach.
Als er mich sah, stopfte er das
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