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Was habe ich getan?

Was habe ich getan?

Titel: Was habe ich getan? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Prowse
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Menschen, die anderen schaden, das Gegenteil von Beschützern sind, dass sie in Wahrheit Zerstörer all dessen seien, was gut und schützenswert war. Das meiste ging über Kathryns Kopf hinweg, weil sie von einem einzigen Gedanken abgelenkt war, der wie eine klare Mitteilung hoch und sichtbar über allem anderen schwebte – nämlich dass es richtig war, einander zum Wohle zu gereichen und nicht zu schaden.
    Tim Cattermole hatte genau ins Schwarze getroffen. Ihr sollte nicht geschadet werden, ihr sollte nicht länger Schaden zugefügt werden. Das war nicht, wozu sie geboren war, wozu ihre Eltern sie großgezogen hatten und wozu sie mit Kindern gesegnet worden war. Das Maß war voll. Kathryn Brooker wollte nicht mehr, dass ihr weiter Schaden zugefügt wurde.
    Sie schloss die Augen, während die Worte des Pfarrers in die Höhe stiegen, um die Schlusssteine des Deckengewölbes tanzten und die schlummernden, in Stein gemeißelten Menschen und Dämonen aufweckten. Zum ersten Mal seit langer Zeit betete sie: Hilf mir, bitte hilf mir. Ich bin so einsam, ich bin allein. Ich bin einsam und allein unter all diesen Leuten. Ich bin immer allein. Wo immer ich bin, mit wem ich auch zusammentreffe, ich bin immer allein. Ich bitte um Stärke, weil ich aufgeben will. Ich glaube nicht, dass ich das noch länger durchhalte. Hilf mir, bitte hilf mir.
    In einem Moment der Erleuchtung drangen Tim Cattermoles Worte in ihr Gebet und sprachen sie direkt an. Er gab die Antwort, er lieferte ihr die Lösung, er erhörte ihr Gebet:
    Dann sollst du nicht nachgeben und nicht auf ihn hören. Du sollst in dir kein Mitleid mit ihm aufsteigen lassen, sollst keine Nachsicht für ihn kennen und die Sache nicht vertuschen. Sondern du sollst ihn anzeigen. Wenn er hingerichtet wird, sollst du als Erster deine Hand gegen ihn erheben.
    Die Worte schwirrten ihr im Kopf herum, bis ihr nichts anderes mehr übrig blieb, als sie ernsthaft in Erwägung zu ziehen.
    Nach dem Gottesdienst versammelten sich die wichtigen Persönlichkeiten im Speisesaal, wo Getränke und Häppchen gereicht wurden. Kathryn war nicht in der Stimmung, heitere Gespräche mit Fremden zu führen, aber ihr blieb wie immer keine andere Wahl. Mark plauderte mit Dom und einer Gruppe Gleichaltriger, spielte sich in den Vordergrund, freundete sich mit ihnen an. Kathryn hörte gerade noch das Ende einer Geschichte, die Luca von sich gab.
    »… die widerliche kleine Schwuchtel.«
    Sie kam korrekterweise zu dem Schluss, dass der Junge, über den gesprochen wurde, Jack Hollister sein musste. Er hatte vor Kurzem die Schule verlassen, nachdem er im Internet von seiner Tutorengruppe geoutet worden war. Sie hatte die ganze Geschichte für widerwärtig gehalten.
    »Ich finde, du solltest niemanden mit solchen Begriffen bezeichnen, Luca. Das ist nicht gerade nett.«
    Erstaunt starrte die Gruppe die heute untypisch eigensinnige Mrs Bedmaker an.
    Nachdem die versammelten Eltern und Lehrer genügend Wein getrunken und reichlich Pastetchen in sich hineingestopft hatten, waren Kathryn und Mark schließlich allein.
    »Danke für deinen wertvollen Beitrag vorhin zum Vorfall mit dem jungen Hollister, Schatz. Deine Ansichten werden sich für die Jungs als höchst erhellend erweisen, wenn sie sich in die Welt hinausbegeben. Ich finde es komisch, dass du es überhaupt für notwendig gehalten hast, dich dazu zu äußern. Es kann dir doch nicht neu sein, dass die Welt nicht gerade nett ist, und ich persönlich bin der Meinung, dass es besser ist, wenn Hollister keine Schule dieses Kalibers besucht. Wir können seinesgleichen hier nicht gebrauchen.«
    »Seinesgleichen?« Kathryn konnte ihr Entsetzen in ihrer Stimme nicht kaschieren.
    »Ja, seinesgleichen. Muss ich dich daran erinnern, dass ich Erzieher und mir deshalb absolut bewusst bin, was subversiver Einfluss in einer kleinen Gruppe anrichten kann? Dass dir das klar ist: Wenn ich Rat brauche, welche Politur ich verwenden soll oder wie man die Teller wirklich sauber bekommt, dann frage ich dich. Bis dahin behalte deine Ansichten, die weder mich noch sonst jemanden interessieren, zu Themen für dich, von denen du wirklich keine Ahnung hast. Ist das klar?«
    Zwar lächelte Mark während dieser Standpauke, aber sein Tonfall ließ Kathryn nicht daran zweifeln, dass sie in großen Schwierigkeiten steckte. Bevor sie die Chance hatte zu antworten, streckten die Kinder die Köpfe zur Tür des Speisesaals herein.
    »Dürfen wir bitte nach Hause gehen? Es gibt Leute, die ein

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