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Was habe ich getan?

Was habe ich getan?

Titel: Was habe ich getan? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Prowse
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einer nächsten und einer weiteren.
    Kathryn sank nach vorn, bis ihr Kopf auf der Erde lag. Mit geballten Fäusten schlug sie auf den Boden, dann riss sie mit den Fingern Gras aus. Das Geräusch, das sie von sich gab, war sowohl ein Maunzen als auch ein Jammern, animalisch und verzweifelt.
    »Nein! Nein! Nein! Bitte, nein!«
    Er hatte die Wäscheklammern ihrer Großmutter verbrannt, hatte die letzte materielle Verbindung durchtrennt, die sie noch zu ihrer Mutter und Großmutter besaß. Er hatte einen Teil ihrer Vergangenheit und einen Teil von Lydias Zukunft zerstört, hatte ihr die einzigen Dinge weggenommen, die ihre ganze erbärmliche Wäscheroutine erträglich machten. Diese kleinen Klammerpüppchen waren ihre einzige Ablenkung von den Misshandlungen gewesen. Während sie ihre Bettlaken an die Leine hängte, hatten diese kleinen Holzklammern sie an ihre Großmutter und an Sommertage ihrer Kindheit erinnert, an selbst gebackene Kuchen und Picknicks, und sie nicht an die Tatsache denken lassen, dass sie wieder gezwungen war, die Beweise der Folter durch ihren Mann zu beseitigen.
    Tränen rannen ihr aus den Augen und in den offenen Mund. Sie schluchzte hemmungslos. Kathryn beherrschte die Kunst, still und diskret zu weinen. Sie konnte sogar lächelnd nach innen weinen, sodass ihr die Tränen durch Nase und Kehle liefen Heute war das nicht möglich, ihr Kummer war übermächtig und alles verzehrend.
    Sie weinte laut und rang nach Luft. Sie vergrub ihr mit Schmutz bedecktes Gesicht in den Händen und schluchzte und schluchzte. Jedes Mal, wenn sie zwischen ihren Fingern hindurchspähte und die glühenden, verkohlten Überreste der kleinen Holzklammern erblickte, flossen die Tränen erneut. Er hatte die Wäscheklammern ihrer Großmutter verbrannt.
    Sie blieb lange, nachdem die Flammen erloschen waren, regungslos wie eine Statue auf dem feuchten Gras sitzen. An der Stelle des Feuers war nur noch ein Haufen rauchender Kohle. Hin und wieder züngelte eine trotzige Flamme auf, aber dieses Aufflammen war immer nur kurz und schwach.
    Kathryn wurde sich bewusst, dass es allmählich dunkel wurde und sie sich schrecklich unbehaglich fühlte. Der Rasen war feucht, ihr taten die Gelenke weh, und sie war mit Schmutz bedeckt. Ihr war gar nicht in den Sinn gekommen, das Abendessen fertig zuzubereiten oder ihre Pflichten zu erfüllen. Sie konnte sich nur auf ihren Kummer konzentrieren. Als sie sich langsam erhob, warf sie einen Blick durchs Küchenfenster auf das Gesicht ihres Mannes, der auf der anderen Seite der Scheibe stand und ein Glas Wein in der Hand hielt.
    Über ihr schmutzverschmiertes Gesicht zogen sich die Bahnen ihrer längst getrockneten Tränen, die salzige Spuren hinterlassen hatten. Marks Mund verzog sich langsam zu einem Lächeln, und um seine Augen bildeten sich Fältchen. Er lächelte sie an, aber sie konnte nicht einmal so tun als ob. Sie konnte weder ihr glückliches Gesicht noch ihre glückliche Stimme finden. Sie fühlte sich gebrochen, unwiederbringlich gebrochen.
    Hey, kleines Mädchen,
    kämm dir das Haar, schmink dich,
    bald wird er die Tür öffnen.
    Glaub bloß nicht,
    du bräuchtest dir keine Mühe mehr geben,
    nur weil du einen Ring am Finger trägst.
    Am nächsten Morgen fühlte Kathryn sich eigenartig benommen. Jedes Mal, wenn sie die Augen schloss, hatte sie wie in einem Albtraum die brennenden Wäscheklammern vor sich.
    Sie konnte sich nichts anderes vor Augen führen, die Bilder verzehrten jeden ihrer Gedanken. Sie fühlte sich von ihrer Umwelt seltsam losgelöst und räumte das Frühstücksgeschirr ganz langsam in die Spülmaschine.
    »Ist alles in Ordnung, Mum?« Der Tonfall ihres Sohnes verriet Besorgnis.
    Kathryn konnte keine Worte finden, um ihm zu antworten, oder ihr glückliches Lächeln, deshalb nickte sie bloß.
    In der Kapelle herrschte Hochbetrieb. Die Schüler jedes Wohngebäudes nahmen die entsprechenden Bankreihen ein. Geladene Eltern in ihrem Sonntagsstaat drängten sich in die engen Reihen, und jede Mutter versuchte, attraktiver auszusehen als die anderen. Väter in Nadelstreifen schüttelten einander die Hände und klopften sich gegenseitig auf die Schultern, um sich für all das, was sie erreicht hatten, zu gratulieren: einen schicken Anzug, ein schnelles Auto, eine teure Uhr und eine umwerfende Frau. Spiel, Satz und Sieg.
    Vereinzelt waren Elternsprecher und Lehrervertreter inmitten der Gemeinde auszumachen, die stolz ihre verstaubten Talare und die Farben ihrer Universität

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