Was habe ich getan?
Sie wählte eine Garnitur weißer Leintücher aus dem Wäscheschrank aus und machte sich auf den Weg ins Schlafzimmer. Sie faltete das Laken halb auf, legte es auf das Bett und schüttelte es auf. Als sie beobachtete, wie sich das weiße Rechteck vor ihr bauschte, vernahm sie ein kaum hörbares Geräusch. Da, auf der Matratze, lag die letzte von Großmutters Wäscheklammern, und es war nicht irgendeine Klammer: Es war Peggy.
Sie ließ den Stoff fallen und nahm die Holzklammer mit den mit Filzstift aufgemalten Augen in die Hand. Während sie auf der Bettkante saß und den kostbaren Talisman festhielt, durchflutete sie eine Woge der Erleichterung. Sie streichelte ihre Wäscheklammer, ja liebkoste sie geradezu, rollte sie zwischen ihren Handflächen und seufzte.
»Danke«, flüsterte sie in den Äther hinein.
»Mit wem sprichst du?«
Mark war urplötzlich in der Tür aufgetaucht.
»Mit niemandem.«
»Ich verstehe. Hast du eine deiner aufschlussreichen Reden über die abartige Homosexualität und die Freundlichkeit gehalten?«
Sie schüttelte den Kopf. Das Selbstvertrauen von vorhin hatte sich inzwischen in Luft aufgelöst, so wie immer innerhalb der vier Wände ihres Zuhauses.
Plötzlich sprang Mark nach vorn und schlug ihr mit der Handfläche gegen den Kopf. Der Schlag traf sie mit solcher Wucht, dass Kathryn wie eine weggeworfene Stoffpuppe von der Bettkante fiel und auf dem Boden landete. Es klingelte ihr im rechten Ohr, und das Gesicht tat ihr weh. Sie machte die Augen weit auf und blinzelte, weil sie versuchte, wieder klar zu sehen und das Gleichgewicht zu finden.
»Siehst du, wozu du mich zwingst? Meinst du etwa, es gefällt mir, dich kontrollieren zu müssen, Kathryn?«
Sie wusste, dass das eine Fangfrage war, weil es ihm eindeutig gefiel, sie zu kontrollieren.
»Setz dich wieder aufs Bett.«
Sie gehorchte seiner Anweisung und hievte sich wieder auf die Matratze.
Mark tat einen Schritt auf seine Kommode zu, in der seine bevorzugte Waffe ordentlich in ihrem Wachspapier eingewickelt lag. Abrupt blieb er stehen und wandte sich zu seiner Frau um. Er lächelte.
»Was ist das in deinen Händen?«
»Nichts«, flüsterte sie.
Er lächelte wieder, und ein kurzes Lachen entfuhr seinen Lippen.
»Kathryn, du hast mir zwei interessante Antworten gegeben. Mit niemandem und nichts ist eine Kombination, die nachdenklich stimmt. Ich bin Lehrer, Kathryn, ein Erzieher junger Menschen. Glaubst du etwa, du bist die Erste, die diese beiden Wörter in dem Bemühen zu mir sagt, etwas zu verbergen und mich zu täuschen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Mark.«
»Da könntest du recht haben, Kathryn. Du bist eindeutig nicht so dumm, wie du aussiehst.«
Kathryn spürte, dass sie zitterte, als er auf sie zukam. Nicht aus Angst vor dem, was er ihr antun würde, sondern weil sie die Kostbarkeit nicht hergeben wollte, die sie entdeckt hatte, den einzigen Gegenstand in ihrem Besitz, der einst ihrer Großmutter gehört und den die Hände ihrer Mutter berührt hatten.
Er streichelte ihr übers Haar, rieb die seidigen Strähnen zwischen den Fingern.
»Du verlässt dieses Zimmer nicht, bis die Kinder nach Hause kommen und etwas zu essen brauchen, hast du mich verstanden?«
Ihre Antwort ließ auf sich warten, weil sie überlegte, welche Möglichkeiten sie hatte. Was konnte sie tun, um Peggy zu verstecken?
Als er ihr wieder etwas sagte, schnauzte er sie mit verkniffenem Mund an.
»Ich habe gesagt, dass du dieses Zimmer erst wieder verlässt, wenn die Kinder nach Hause kommen und etwas zu essen brauchen. Hast du mich verstanden, Kathryn?«
Seine Hand ging vom Streicheln ihres Haares dazu über, sich Haarsträhnen direkt an ihrer Kopfhaut langsam um die Finger zu wickeln. Er packte fest zu und riss ihr ein Haarbüschel heraus. Weil es so wehtat, zuckte sie zusammen, aber sie gab kaum einen Laut von sich.
»Ja, Mark, ich habe verstanden.«
»Was hast du verstanden?«
Sie blickte ihm in die Augen.
»Ich habe verstanden, dass ich dieses Zimmer nicht verlasse, bis die Kinder nach Hause kommen und etwas zu essen brauchen. Ich verspreche es.«
»Gut. Jetzt gib mir, was du da in der Hand hast.«
»Bitte, Mark, ich …«
»Verwende niemals das Wort bitte. Es kommt Bettelei gleich und ist deshalb für uns beide entwürdigend. Hab ein bisschen Stolz, zeig ein bisschen Würde. Jetzt gib mir, was du da in der Hand hast, sonst breche ich dir das Handgelenk und nehme es mir.«
Diese Drohung hallte im Zimmer wider. Sie wusste,
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