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Was habe ich getan?

Was habe ich getan?

Titel: Was habe ich getan? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Prowse
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in ihrer Brust war plötzlich und stark. Sie hob den Blick und suchte das Gesicht ihres Sohnes, suchte nach Trost und Bestärkung, aber er war verschwunden.

Vor zehn Jahren
    Während des Gerichtsverfahrens hatte Kathryn den Eindruck, unter Wasser zu leben. Sie konnte nicht zwischen Tag und Nacht unterscheiden. Die Stunden gingen ineinander über, unterbrochen von kurzen Nickerchen und der gelegentlichen Aufnahme von geschmacklosem Essen, das hölzern schmeckte. Wörter klangen verzerrt, Geräusche gedämpft und alle Farben sahen gedeckt aus. Sie fühlte sich fast wie in der Schwerelosigkeit. Aus der Menschenmenge, die in ihre Richtung spähte, stachen nur Lydia und Dominic deutlich und erkennbar heraus. Ihre Gesichter waren traurig und verkniffen, ausdruckslos, starr vor Kummer.
    Während sie den dröhnenden Stimmen lauschte, die jedes kleinste Detail ihres Lebens auseinandernahmen und analysierten, kam es ihr vor, als redeten sie über eine Fremde. Sie fühlte sich von den Vorgängen abgekoppelt, unfähig, das Verfahren wirklich zu verstehen. Manchmal standen Menschen im Zeugenstand, die sie wiedererkannte. Sie war sich vage bewusst, dass Judith sie höhnisch angrinste, als sie ihre mollige Hand auf eine Bibel legte.
    Für Kathryn waren die Fakten klar. Mark hatte sie über einen langen Zeitraum hinweg gequält, und eines Tages, nachdem sie ganz besonders provoziert worden war, hatte sie genug gehabt und ihn umgebracht. Nicht mehr und nicht weniger. Sie wäre zwar nicht so weit gegangen und hätte das, was sie getan hatte, als gerechtfertigt bezeichnet. Sie wusste, dass die genaueste Überprüfung und Erörterung an der Lage nichts an den Tatsachen ändern würde. Es war nun einmal, was es war. Die Geschworenen, zwölf Männer und Frauen, erklärten sie für schuldig, genau wie sie es vorausgesehen hatte. Das Urteil war jedoch fair. Acht Jahre, von denen sie bei guter Führung fünf würde absitzen müssen. Kate verspürte eine gewisse Genugtuung, denn diese zufällig ausgewählten Fremden waren zu dem Schluss gelangt, dass seine Übergriffe auf sie ungeheuerlich gewesen waren, und zumindest dafür war sie dankbar.
    Kate – nicht mehr Kathryn – lag auf ihrer harten Gefängnispritsche und versuchte, sich an ihr neues Zuhause zu gewöhnen. Sie war erleichtert, dass ihre Gefängnisstrafe endlich begonnen hatte. Es war wie bei einem Marathon. Je früher sie startete, desto früher würde sie ihn hinter sich haben.
    Das Frauengefängnis von Marlham war um einen zentralen Lichthof erbaut, umschlossen von Gängen mit Metallböden und Plexiglasscheiben sowie Zellenreihen auf jeder Etage. Es war hässlich und laut: Selbst die leichteste Berührung eines Geländers erzeugte ein lautes Scheppern, wie das Niesen in einer stillen Kirche. Ursprünglich war es als Sanatorium errichtet, inzwischen aber durch allerlei ausgeklügelte Anbauten aus rotem Backstein erweitert worden.
    Die Zellen waren wesentlich wohnlicher, als die Gemeinschaftsbereiche erahnen ließen. Freilich gab es weder Chintzvorhänge noch gedämpfte Beleuchtung, aber sie bestanden nicht aus glänzenden magnolienfarbenen Backsteinen und Metallgittern, wie die Fernsehserie Porridge Kate hatte erwarten lassen. Es erinnerte alles eher an eine Jugendherberge, funktional und karg.
    Ein winziges rechteckiges Fenster befand sich hoch in der Außenwand. Das Sicherheitsglas war mattiert, und es gab keinen Mechanismus, um es zu öffnen, trotzdem waren zur Sicherheit vier Metallstangen angebracht worden. Kate versuchte erst gar nicht, sich die Welt jenseits des Fensters auszumalen. Das war einfacher so. In ihrer Vorstellung gab es ihr altes Leben und ein neues, zukünftiges Leben, das sie erwartete. Das hier war die Zeit des Übergangs – ein notwendiger Schwebezustand.
    Sie wünschte sich, den Kindern sagen zu können, dass es ihr gut ging und dass es nicht so grauenhaft war, wie sie es sich vielleicht vorstellten. Sie hatte eine Zelle für sich, die recht wohnlich und warm war. Es hätte viel schlimmer sein können. Im Gegensatz zu den meisten ihrer Mitgefangenen sehnte Kate sich nicht nach ihrer Matratze zu Hause. Ganz im Gegenteil. Sie fühlte sich in ihrer neuen Umgebung behaglich und sicher und genoss es, im Einzelbett zu schlafen.
    Ihre Überlegungen wurden von einer korpulenten Wärterin unterbrochen, die zu ihrer Zelle kam und die Tür öffnete, die erst wenige Minuten zuvor verschlossen worden war. Kate kannte die Abläufe noch nicht.
    »Auf die Beine.« Die

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