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Was habe ich getan?

Was habe ich getan?

Titel: Was habe ich getan? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Prowse
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ich nicht machen, ich kann nicht Kate Gavier werden. Ich muss Dominic Brooker bleiben. Ich nenne meinen Namen und beobachte, wie es in ihrem Kopf arbeitet, wenn sie herauszufinden versuchen, warum er ihnen bekannt vorkommt. Und dann weiten sich ihre Augen, wenn es ihnen einfällt. Ach ja, Brooker. Sprössling des Scheißkerls Mark und der Verrückten Kathryn. Und du fragst mich, ob ich eine Freundin habe? Was glaubst du denn? Wie würde die Unterhaltung beim ersten Treffen mit ihren Eltern verlaufen? Das wäre ein absoluter Rohrkrepierer.«
    »Tut mir leid, Dom.« Das war eine unangebrachte, automatische Antwort.
    »Und dann bist du verschwunden. Zuerst ins Gefängnis und danach hierher, um dich mit den Problemen anderer Leute zu beschäftigen, damit du dich nicht mit unseren zu befassen brauchst. Als ob wir nicht mehr zählen würden, als ob wir nicht genug zählen würden.«
    »Dom, ihr habt immer gezählt. Ihr wart immer das Einzige, was gezählt hat. Ihr seid der Grund, warum ich weitermache. Ich liebe dich und Lydia mehr, als du dir vorstellen kannst, mehr als du je begreifen wirst. Ich habe mich nicht vor euch versteckt. Ich habe auf euch gewartet. An jedem Tag denke ich in jeder Minute bei jedem Atemzug daran, welche Möglichkeiten ich habe, euch zu sehen, euch nahe zu sein oder Kontakt mit euch aufzunehmen, ohne euch noch mehr Kummer zu bereiten.«
    Wieder fiel er ihr ins Wort.
    »Ich denke über jene Nacht nach, Mum. Ich denke häufig darüber nach. Obwohl ich es nicht will. Wir waren im Zimmer nebenan. Wir waren in dem verdammten Zimmer direkt nebenan! Nur wenige Meter vom Geschehen entfernt. Und du warst fröhlich. Ich erinnere mich, dass du sehr fröhlich geklungen hast. Das habe ich auch der Polizei gesagt, und trotzdem hat Dad die ganze Zeit auf dem Bett gelegen … Ich wette, er wollte, dass ich ihm zu Hilfe komme. Ich wette, er hatte Angst und fühlte sich allein.
    Mum, ich frage mich, ob er nach mir gerufen hat. Wollte er, dass ich ihm helfe? Mum, ich kann es nicht fassen, dass ich nebenan tief und fest geschlafen habe, in Gedanken mit dem Grillfest und Emily Grant beschäftigt, während du …«
    »Ach, Schatz. Ach, Dom. Das darfst du nicht tun. Das hat keinen Sinn. Es macht dich nur kaputt.«
    »Glaubst du?«, fragte er mit sarkastischem Unterton. »Seit damals schlafe ich nicht mehr tief. Ich liege da und spitze die Ohren, für den Fall, dass jemand meine Hilfe braucht, für den Fall, dass Dad meine Hilfe brauchen könnte.«
    Kate rieb sich über die Augen. »Das tut mir leid, Dom. Mir tut es wirklich sehr leid, dass ich euch beiden solchen Kummer bereitet habe. Eines Tages werden wir auch über die Angst, das Alleinsein und die Gründe dafür sprechen, aber nicht heute. Nicht heute, Dom. Es ist wichtig, dass du weißt, dass ihr bei mir immer, immer an erster Stelle gestanden habt. Ich …«
    Kate konnte ihren Satz nicht beenden.
    Die Küchentür knallte so laut gegen die Wand, dass beide zusammenzuckten und in die Richtung blickten, aus der der Krach kam.
    Rodney Morris stand da, einen Arm ausgestreckt, die Handfläche an der offenen Tür. Sein Körper war nicht an die Geschwindigkeit gewöhnt, mit der das Adrenalin ihn vom Strand heraufgetrieben hatte. Er keuchte und schwitzte, sein Gesicht war puterrot. Die andere Hand drückte er sich gegen die Brust, und dazwischen hielt er etwas, was wie Kleidung aussah. Schlüssel baumelten von seinen Fingern.
    Kate ließ die Hand ihres Sohnes auf die Tischplatte fallen, als sie von ihrem Stuhl aufstand.
    »Rodney! Was ist denn los? Was gibt’s?«
    Er hob langsam den Kopf, bis seine Augen, in denen Tränen standen, auf gleicher Höhe waren wie ihre.
    »Tanya«, stammelte er.
    Er händigte Kate den geöffneten cremefarbenen Umschlag aus, den er zusammengeknüllt in seiner Faust hatte.
    Kate schlang den Arm um ihn und führte ihn zu einem Stuhl, und die Feindseligkeiten zwischen ihnen waren angesichts seines offenkundigen Kummers sogleich verflogen.
    Sie zog das Blatt Papier aus dem Umschlag und las hastig Tanyas Zeilen.
    »Wo ist sie, Rodney?«, schrie sie. »Ist es zu spät?«
    Rodney wiegte sich auf seinem Stuhl langsam hin und her und brabbelte etwas Unverständliches.
    »Oh, nein! Oh, bitte, lieber Gott, nein«, brüllte Kate fast hysterisch.
    »So schön, so jung«, murmelte Rodney und weinte.
    Kate las Tanyas Nachricht wieder und wieder, gefesselt von den zehn Zeilen. Sie versuchte, ihre Bedeutung zu verarbeiten. Ihr Atem ging stoßweise. Der Schmerz

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