Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was habe ich getan?

Was habe ich getan?

Titel: Was habe ich getan? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Prowse
Vom Netzwerk:
Sorgen, wie ich dazu stehe, wenn du dich verändert hast. Ich mache mir Sorgen, ich könnte dich nicht mehr genauso lieb haben.« Kate schwieg, während Tränen auf ihre Lippen rannen und sie im Stillen betete: Bitte, hab mich lieb, bitte hör nicht auf, mich lieb zu haben.
    Lydia hatte ihre Stimme noch weiter gesenkt und flüsterte: »Wenn ich dich nicht sehe, Mum, kann ich so tun als ob. Ich kann so tun, als ob du und Dad irgendwohin verreist seid, weißt du, wie damals, als ihr beide nach Rom geflogen seid und wir für eine Woche im Internat waren? Ich stelle mir vor, alles ist noch genauso, wie es immer war. Aber wenn ich dich sehe, dann weiß ich, dass das nicht wahr ist, weil Dad nicht bei dir sein wird und du dich verändert hast.«
    Kate konnte nur nicken, weil sie nicht in der Lage war, etwas zu sagen.
    »Und manchmal, Mum, tue ich so, als wärt ihr beide tot, und das macht es irgendwie leichter. Ich tue so, als wärt ihr beide bei einem Unfall ums Leben gekommen, und dann brauche ich nicht mehr daran zu denken, dass du Dad etwas so Furchtbares angetan hast oder an die schrecklichen Dinge, die Dad dir angetan hat. Daran denke ich gar nicht gern, Mummy.« Sie brach in atemloses Schluchzen aus.
    Kate hatte das dringende Bedürfnis, die Arme um ihr kleines Mädchen zu schlingen und es zu trösten. Ich bin nicht tot. Ich bin da, Lyds, ich bin da und warte auf dich.
    »Lyds, Lyds. Es ist in Ordnung. Alles wird in Ordnung kommen. Das verspreche ich dir. Wir können das alles durcharbeiten.« Sie benutzte den Tonfall, mit dem sie einst ihr kleines Mädchen nach bösen Träumen wieder in den Schlaf gelullt hatte.
    »Ich weiß nicht, ob es in Ordnung kommen wird, Mum. Je länger ich dich nicht sehe, desto schwerer fällt es mir, mir vorzustellen, vor dir zu stehen. Deshalb finde ich es einfacher, es sein zu lassen, falls das irgendeinen Sinn ergibt. Manchmal frage ich mich, ob es nicht besser ist, einfach Ade zu sagen und nur daran zu denken, wie es früher war, als wir glücklich waren – na ja, nicht du, aber wir anderen. Ich dachte, wir wären eine glückliche Familie, aber das waren wir nicht, oder?«
    »Nein, Lyds, ich glaube, das waren wir nicht. Aber ich dachte, ich könnte manches verbergen, ich dachte, ich könnte dafür sorgen, dass alles gut wird.« Es war das erste Mal, dass Kate dieses Geständnis ablegte.
    »Und das ist Teil des Problems, Mum. Ich habe nur meine Erinnerung an meine Familie, aber jetzt weiß ich, dass das alles eine Lüge ist. Du und Dad, ihr habt nur so getan. Es war alles nur vorgetäuscht, alles.«
    Ihre Stimme bebte.
    »Und das ist hart, das Wissen, dass mein ganzes Leben und die Menschen, denen ich vertraut habe, alles nur Täuschung war. Es ist, als hätte ich die Erinnerungen eines anderen Menschen, nicht meine eigenen.«
    Sie verstummte.
    Kate wartete, bis Lydia sich wieder gefasst hatte, bevor sie ein paar Worte der Erklärung und des Trostes einwarf.
    »Ich muss Schluss machen, Mum, tut mir leid.«
    Das Telefon klickte sogleich ohne jede Vorankündigung. Es kam so schnell und ohne Vorwarnung, sodass Kate in das surrende Brummen schrie. »Nein, Lydia! Bitte leg nicht auf. Bitte, Schatz«, rief sie in den Apparat, der keine Verbindung mehr hatte, und weigerte sich aufzulegen, weil sie das noch nicht konnte.
    »Wenn du es dir anders überlegst, wenn du bereit bist, werde ich auf dich warten. Ich werde immer warten. Dann gib mir nur Bescheid, und ich komme zu dir.«
    Kate hielt sich das Telefon weiter ans Ohr, während sie in die Morgendämmerung hineinschluchzte.
    Durch ihre vom Weinen geschwollenen Lider beobachtete sie, wie die Sonne aufging. Sie wiederholte Lydias Worte wieder und wieder, bis sie sich diese eingeprägt hatte und bis an ihr Lebensende jederzeit würde abrufen können. Mein ganzes Leben und die Menschen, denen ich vertraut habe, alles war nur Täuschung.
    Kate versuchte sich vorzustellen, wie es wäre, ihrer Kindheitserinnerungen beraubt zu werden, der Lebensgrundlage, die ihre Eltern geschaffen hatten, all dessen, was ihr ein Gefühl der Geborgenheit und Sicherheit vermittelte. Wie schlimm die Lage auch war, wie schlecht es auch wurde, Kate konnte im Geiste immer in eine Zeit des Lachens und der Freude flüchten. Der Gedanke, dass einem dies genommen wurde, war einfach zu schrecklich.
    Die Mittagssonne brannte herunter, und Kate war sich nicht sicher, ob es wirklich eine gute Idee war, zum Karneval zu gehen. Sie fühlte sich niedergeschlagen und war nicht

Weitere Kostenlose Bücher