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Was ist Gott?: Das Buch der 24 Philosophen (German Edition)

Was ist Gott?: Das Buch der 24 Philosophen (German Edition)

Titel: Was ist Gott?: Das Buch der 24 Philosophen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Flasch
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sie einem Subjekt ein Prädikat hinzufügen. Dem All-Einen ist nichts hinzuzufügen. Prädikate haben unterscheidenden Charakter; in der Alleinheit gibt es nichts zu unterscheiden.
    Definition und Kommentar schließen eng an XVI an. Der vorhergehende Spruch folgerte die Unerkennbarkeit Gottes aus der Natur der Sprache und aus der Unähnlichkeit zwischen Mensch und Gott. Spruch XVII geht aus von der Analyse der Prädikation wie These XVI von der Funktion der vox , folgert die Unerkennbarkeit Gottes aber aus seiner unauflösbaren Einfachheit. In Gott sind rationes diversae , wie in IV (IV h S. 10, Z. 3–4; hier S. 37) gesagt, aber nicht nach Art eines Hinzukommenden, einer objektiven Zusammensetzung und Steigerung, also nicht nach den in der Natur vorkommenden Verhältnissen von Früher und Später ( prius/posterius , nicht im zeitlichen Sinn, sondern als Grund und Begründetes), von Mehr und Weniger ( magis/minus ). Es gibt keinen realen Aufbau in der Gottheit. Sie erkennt sich, weil sie sich auf sich hin erzeugt. Die These ist: Gott erkennt sich, aber nicht prädikativ, weil ihm nichts eigenschaftlich-sekundär zukommt wie die zufällige Eigenschaft der musikalischen Begabung in dem Satz ‹Sokrates ist musikalisch›.
    Der erste Satz des Kommentars sagt: Der Knoten ( nodus ) wird nicht erkannt aus den Beziehungen des Knotens. Die Lesart ‹Knoten› ist die ‹härtere› und lässt sich auflösen: Eine Definition erfordert das Zusammensein verschiedener Bestimmungen. Ein Knoten ist die Vereinigung vieler Windungen. Um einen Knoten zu erkennen, sind diese Windungen herauszulösen. Dann erst weiß man, von welcher Art dieser Knoten ist. Er muss in seine einzelnen Elemente zerlegt werden. Aber Gott hat zwar verschiedene Wesenselemente ( rationes diversae ), aber diese lassen sich aus seiner einfachen Natur nicht herauslösen. Denn er ist der einheitliche Prozess, sich durch Erkenntnis selbst zu erzeugen, ipsum ad ipsum generat . Also kann Gott nur sich selbst definieren. Wir können es nicht. Denn unsere Sprache ist nur geeignet, um kausale und zeitliche Grund-Folge-Verhältnisse zu beschreiben, sie gehört zu den Objekten, die ein Früher und Später, ein Mehr oder Minder ausweisen, die also Zeitbedingungen unterstehen. Gott hat mit solchen Gliederungen nichts zu tun. Er entzieht sich unseren Sätzen, die eine Hinzufügung enthalten. Er ist ein unauflösbarer Knoten. Er enthält in sich jeden Inhalt, aber in unauflösbarer Einfachheit. Daher ist er nicht zu definieren, denn Definitionen fügen der Gattung eine spezielle Bestimmung, die der Art, hinzu.

    XVIII. Gott ist die Kugel, die so viele Umfänge wie Punkte hat.
    DEUS EST SPHAERA CVIVS TOT SUNT CIRCVUMFERENTIAE QVOT PVNCTA.
    Diese Definition folgt aus der zweiten. Denn da er ganz ist ohne Ausdehnung oder auch von unendlicher Ausdehnung, gibt es in der Kugel seines Wesens kein Äußerstes.
    Also gibt es an seinem Äußersten keinen Punkt, dessen Umfang nicht noch weiter außen läge.
    Ista sequitur ex secunda, quia cum sit totus sine dimensione, et etiam dimensionis infinitae, non erit in sphaera suae essentiae extremum.
    Igitur non est in extremo punctus quin exterius sit circumferentia.
    Das Bild der Kugel kehrt wieder, bezeugt die einheitliche Konzeption unseres Textes und wird zunehmend zerstört. Wir sollen an ihm nicht kleben bleiben. Eine Kugel mit unendlich vielen Umfängen ist keine Kugel. Der Punkt, den wir festzuhalten suchen, strahlt aus in einen neuen unendlichen Umfang.
    Definition und Kommentar führen das Kugelmotiv aus II fort, wie X aus IV und VII, XXIII aus XX hergeleitet werden. Spruch XVIII legt den Akzent auf die dimensionslose Ganzheit der unendlichen Sphäre. Es gibt nicht mehr den einen, seinsspendenden Mittelpunkt. Nicht, als ob es keinen Gott gäbe. Aber Gott ist die unendliche Einheit der unendlich vielen Zentren. Es gibt unendlich viele Umfänge, so viele wie Punkte innerhalb der Kugel. Es gibt kein Außen. Jeder Punkt innerhalb der Peripherie hat seinerseits einen Umfang, der sich im Unendlichen verliert. Es geht immer weiter. Die Punkte bilden ein System aktiver Welterweiterung und neuer Umfangbildung.

    XIX. Gott, das ist das unbewegt Immerbewegende.
    DEVS EST SEMPER MOVENS IMMOBILIS.
    Unbewegt heißt Gott, weil er sich immer in derselben Weise verhält, und das heißt: in Ruhe sein.
    Bewegend ist er immer, denn er ist in sich lebendig, ohne Veränderung allerdings. Er erkennt sich in einfacher Einsicht, und das heißt: Die

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