Was macht der Fisch in meinem Ohr
bestimmen und die unser Verständnis von dem, was Übersetzer tun, nachhaltig geprägt haben.
Universalwörterbücher, seien es der Samuel Johnson oder der Webster, der Brockhaus oder der Robert, verzeichnen die zu einer Sprache gehörenden Wörter. Indem sie das tun, sagen sie uns, dass die von uns gesprochene Sprache eine Wörtersammlung ist. Das ursprünglich aus der hebräischen Bibel herrührende nomenklaturistische Sprachverständnis erhielt durch das Aufkommen des modernen, vom gedruckten Wort geprägten Denkens den entscheidenden letzten Schub.
Welche Wörter haben Anspruch darauf, in ein Wörterbuch aufgenommen zu werden, das nicht den Fachwortschatz bestimmter Gebiete enthält, sondern den Wortbestand einer ganzen Sprache? Nun, die Wörter, die Menschen verwenden. Alle? So weit wie nur irgend möglich geben allgemeinsprachliche Wörterbücher ihren historischen Anspruch auf, Instrumente der Bildung zu sein. Das ist der Wettkampf im Armdrücken. Festzuhalten, was Wörter bedeuten und wie sie am besten verwendet werden, Cawdreys rühmenswerte Absicht, und das breiter angelegte Vorhaben, alle Wörter aufzunehmen, die Menschen tatsächlich verwenden, samt allen Bedeutungen, die sie ihnen geben mögen – beides steht in diametralem Gegensatz zueinander. Aus dem Grund sind einsprachige Nachschlagewerke zu so unbrauchbarer Größe angeschwollen. Wie sich das Problem lösen lässt, zeigt anschaulich die berufliche Laufbahn einer fiktionalen Gestalt bei Georges Perec:
Cinoc … übte einen merkwürdigen Beruf aus. Er war, wie er selbst sagte, »Wörtertöter«; er half mit, das Wörterbuch Larousse auf den neuesten Stand zu bringen. Doch während andere Redakteure auf der Suche nach neuen Wörtern und neuen Bedeutungen waren, mußte er, um ihnen Platz zu schaffen, alle Wörter und alle Bedeutungen eliminieren, die veraltet waren.
Als er … in Pension ging, hatte er Hunderte und Tausende von Werkzeugen, Techniken, Sitten und Gebräuchen, Überzeugungen, sprichwörtlichen Redensarten, Gerichte, Spiele, Spitznamen, Gewichte und Maße verschwinden lassen … er hatte Hunderte von Kuhrassen, von Vogel-, Insekten- und Schlangenarten, etwas spezielle Fische, Spielarten von Muscheln, Pflanzen, die nicht ganz gleichwertig beziehungsweise ähnlich waren, besondere Arten von Gemüsen und Früchten in ihre taxonomische Anonymität zurückgeschickt; er hatte ganze Scharen von Geographen, Missionaren, Entomologen, Kirchenvätern, Schriftstellern, Generälen, Göttern und Dämonen in der Versenkung verschwinden lassen. 5
Universalwörterbücher gleich welcher Sprache, insbesondere aber die mit alphabetischer Ordnung, sind in ihrem Umfang stets potenziell unendlich, weil eine Sprache keine in Zeit oder Raum unveränderlichen Grenzen hat und weil man auch eine soziale Praxis nicht ein für alle Mal in eine fix und fertige Anzahl von Bestandteilen gliedern kann. Um diesem Dilemma zu entgehen, entwickelte Peter Mark Roget für sein Großprojekt der Abbildung einer Sprache, seinen Thesaurus (griechisch für »Schatz«), ein Organisationsprinzip, das nicht die zufällige Ordnung des Alphabets, sondern die natürliche Ordnung der Welt zugrunde legt. Er führte sechs Klassen von »Realien« ein, bei denen es sich nicht um materielle Dinge handelt, sondern um Vorstellungen: abstrakte Bezeichnungen, Raum, Materie, Intellekt, Wille und Gefühl. Diese gruppierte er nach Kategorien, die er jeweils in noch kleinere Begriffsfelder gliederte, und erst danach verzeichnet er alle Wörter und Ausdrücke, welche die betreffende Vorstellung vermitteln. So enthält beispielsweise die Klasse »Gefühl« die Kategorie »Persönliche Gestimmtheit« und diese wiederum als eine von mehreren Untergruppen »Unterschiedliche Stimmungen«, als deren Untergruppe »Ärger« erscheint. Hier nun findet man eine Unmenge von Wörtern und Wendungen wie »Entrüstung«, »Zorn«, »Wut«, »jemandem auf den Wecker gehen«, »jemanden rasend machen« und »jemanden auf die Palme bringen« – eine lange Liste von Synonymen, die allesamt Zorn einer bestimmten Art oder Ausprägung ausdrücken. Rogets Thesaurus ist eine außerordentliche Leistung. Sein Aufbau folgt den von den Sumerern auf Tontafeln festgehaltenen, nach thematischen Kategorien geordneten Wortsammlungen, doch da er kaum Wörter vom Typ »Polyester«, »Kurbelsatz« oder »Rezitativ« enthält, ist er all jenen keine Hilfe, die eine Sprache gern für ein Verzeichnis der Namen von Dingen halten
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