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Was man so Liebe nennt

Was man so Liebe nennt

Titel: Was man so Liebe nennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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verglich sie nicht mit Emma, denn vergleichen bedeutet beurteilen: Besser oder schlechter kam in seiner Wahrnehmung nicht vor, und während die Nacht voranschritt, gab es in seinen Gedanken, seinen sexuellen, keine Wenns und Abers — Tess’ Haut war fester und rauher als Emmas, ihre Brüste größer und runder, ihre Scham behaarter und dunkler, ihre Reaktionen lauter und wortreicher. Alles, was an Tess anders war, erregte ihn, und je extremer der Unterschied — wie er aussah, spielte gar keine Rolle — , desto stärker war Joes Erregung. Jede Verschiedenheit zwischen Tess und Emma nahm er wie durch die Vergrößerungslinse der Grey Lady wahr — Tess’ Bauchnabel war nach außen gestülpt statt nach innen, ein Quirl, während Emmas ein Grübchen war. Tess’ Vagina war nicht so symmetrisch, hatte gleichzeitig Klüfte und Hügel und fühlte sich voller an in seiner gewölbten Hand. Tess bestand darauf, daß er ein Kondom benutzte — als Selbstverständlichkeit, sagte sie, auch von Vic verlange sie es — , während Emma mit ihren Mythen von Leidenschaft und Spontaneität Präservative abstoßend fand; und wo Emmas Geruch, selbst ihr Nahgeruch, sich so verflüchtigte wie pastellfarbene Wolken am Himmel, war Tess’ so handfest, daß man meinte, man könne ihn um sie herum in Würfel schneiden — ihr Geruch hatte Körper und Dauer, Würze und Harz und all die Dinge, die sie in Joes Vorstellung auf ihren Weinproben sagte. Er fragte sich, ob es einen Punkt gab, an dem er sich gewünscht hätte, daß die Verschiedenheit aufhörte, vielleicht wenn sich herausgestellt hätte, daß Tess ein Mann war.
    Als er in die Greenwich High Street einbog, merkte er, daß er schon längst nicht mehr nach Entschuldigungen suchte, er durchlebte einfach die Nacht noch einmal, genoß sie von neuem. Er hatte keine Entschuldigung — höchstens Selbstzweifel und die trübe Unterströmung von Schuldgefühlen. Und je näher er seinem Haus kam, desto mehr gewannen sie, was vielleicht erklärlich war, die Oberhand. So sehr, daß er, als er vor seinem Gartentor vorfuhr und ein Polizeiauto dort auf ihn warten sah, gar nicht sonderlich überrascht war.

VIC

    V ic zog sich leise aus, er wollte Tess nicht aufwecken. Es war Mittwoch morgen. Sie hatte sich ungewohnt schroff angehört, als er sie gestern abend anrief, um ihr zu erklären, warum er nicht kommen konnte, so als hätte sie ihm seine Entschuldigung nicht abgenommen, die Sache mit der Lambretta nicht geglaubt. Wie üblich hatte er sich weiter keine Gedanken darüber gemacht, nachdem er aufgelegt hatte. Aber am Morgen war er früh aufgewacht, hatte ruhelos dagelegen und gedacht, er sollte vielleicht noch mal einen neuen Anlauf mit ihr wagen. Der Gedanke an Tess erleichterte ihn, so wie es einen oft befreit, wenn man, nachdem man eine drastische Veränderung erwogen hat, auf die gewohnte Bahn zurückkehrt. Schließlich hatte er ein Kapitel in seinem Leben gerade abgeschlossen.
    Da er seinem Roller immer noch nicht über den Weg traute, hatte er die U-Bahn bis Lambeth North genommen. Inmitten der Nachzügler des morgendlichen Berufsverkehrs saß auf der Bank ihm gegenüber ein älteres amerikanisches Ehepaar, er mit einem Bart und übergewichtig, sie mit Brille und übergebräunt; beider Schoß bedeckte eine auseinandergefaltete Touristenkarte, die an den markanten Schnittpunkten mit farbenprächtigen Zeichnungen geschmückt war — ein lächelnder königlicher Leibgardist, prunkhafte Houses of Parliament, eine überdimensionale St. Pauls Cathedral. Während die beiden über ihren in Aussicht genommenen Tag in Disney-London sprachen, überkam Vic plötzlich ein Schwall von Sentimentalität, das gelegentliche Liebäugeln aller notorischen Schürzenjäger mit dem Gedanken an Monogamie. Obwohl er nichts von dem Paar wußte, war Vic sicher, daß die beiden genau wie jene gealterten Pärchen waren, die in Harry und Sally ihre Lebensgeschichte erzählten, Männer und Frauen, die sich vor langer Zeit miteinander abfanden und, ohne Angst vor der Fessel, Seite an Seite hinaus ins stille Meer des Friedens schwammen.
    Er hatte erwartet, daß Tess schon auf war und in ihrem kleinen Studio im hinteren Teil der Wohnung arbeitete, E-Mails an Weingüter in der ganzen Welt verschickte, während der Blick aus dem Fenster über ihrem Computer an der Mauer gegenüber endete. Aber als er sich, weil sie auf sein Klingeln nicht reagierte, selbst in ihre Wohnung einließ, fand er sie, immer noch im Tiefschlaf, im

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