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Was man so Liebe nennt

Was man so Liebe nennt

Titel: Was man so Liebe nennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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langsam den Hörer auf.
    »Rat mal, wer das war?«
    Joe zuckte die Achseln. Er fragte sich, ob Tess schon immer so schnippisch zu Vic war. Er hätte nie geglaubt, daß Vic sich je mit anstrengenden Frauen einließe. Aber vielleicht war sie nicht immer so gewesen. Es könnte ein weiteres Symptom sein: Aggression.
    »Vic?« sagte er.
    Tess nickte. »Angeblich hat sein Roller wieder mal gestreikt. Er ist gerade erst nach Hause gekommen und will es nicht riskieren, noch mal wegzufahren. Sehr praktisch, so ein Roller, was?« Joe schüttelte den Kopf, deutete an, daß er nicht verstand. »Er mußte sich anschieben lassen. Jaah, na gut!«
    »Du hast also... mit Vic darüber gesprochen, was passiert ist?« Joe konnte sich immer noch nicht dazu durchringen, die Worte auszusprechen.
    »Nein! Na ja. Nicht richtig. Ich habe versucht anzudeuten, daß was nicht stimmt — daß es ein Problem gibt aber er ging überhaupt nicht darauf ein.«
    »Warum sprichst du nicht einfach ganz offen mit ihm darüber?«
    Tess schnalzte mit der Zunge. »Ich weiß nicht. Hab wohl Angst — Angst vor der Wahrheit. Angst, daß er sich im Grunde sowieso nichts mehr aus mir macht.«
    Joe runzelte die Stirn. »Gott, ich weiß, daß er oft total in sich eingesponnen wirkt. Aber ich bin sicher... ich weiß es, daß er dich liebt.« Das wußte er nicht, hatte aber das Gefühl, es waren genau die richtigen Worte.
    Tess seufzte und merkte, daß ihr schon wieder ein typischer Frauengedanke kam. Nur ein Mann — sie wollte es kaum glauben, daß sie plötzlich Sätze dachte, die so begannen —, nur ein Mann konnte glauben, daß einer, der sie behandelte wie Vic, sie immer noch liebte.
    »Entschuldige«, sagte Joe, dessen Brauen schon eine Weile zusammengezogen waren. »Ich glaube, etwas hier verstehe nicht ganz.«
    Wieder prustete Tess durch die Nase. »Ich auch nicht.«
    »Nein, ich meine... du hast mich vorhin gefragt... ob ich es wüßte... du weißt schon, was ich weiß... weil Vic es mir erzählt hat.«
    »Jaah?«
    »Aber gerade eben hast du mir erzählt, daß du im Grunde gar nicht mit ihm darüber gesprochen hast.«
    Tess hatte das Ganze allmählich ziemlich satt. »Und?«
    »Ähhmm... wie hätte er es mir dann überhaupt erzählen können?«.
    Tess schüttelte langsam den Kopf. »Wie bitte?«
    »Wie hätte er es mir sagen können, wenn du ihm nichts davon erzählt hast?«
    Tess blinzelte ihn an. Warum, fragte sie sich, bin ich manchmal nur so stolz darauf, wie ein Mann zu denken? Sie waren eindeutig alle Kretins. »Weil, Joe...«, sagte sie mit ihrer sarkastischsten Stimme und imitierte den Sprachrhythmus eines Grundschullehrers, der sich an den langsamsten all seiner begriffsstutzigen Schüler richtet, »den ganzen Kummer verursacht. Er ist der Urheber. Er tut es verflucht noch mal.«
    Ein Teil von Joe dachte, daß auch dies ein Symptom sein könnte — ein keineswegs ungewöhnliches, wie er einmal in einer neurologischen Zeitschrift gelesen hatte: die Neigung, jemand Nahestehenden für den Ausbruch der Krankheit verantwortlich zu machen. Doch ein anderer Teil flüsterte ihm zu, daß er besser die auf der Hand liegende Frage stellte.
    »Was genau... tut er?«
    Tess starrte ihn an, lehnte sich zurück und setzte wieder ihr Glas an die Lippen; dann langsam, bleiern, schloß sie die Augen. Sie holte tief Luft, und atmete tief wieder aus. »Eine. Andere. Ficken«, intonierte sie ohne die Augen zu öffnen.
    Joe war froh, daß sie sie geschlossen hatte, denn er spürte, wie er rot wurde. »Tess... davon weiß ich nichts...«
    »Worüber hast du denn dann die ganze Zeit geredet?« Ihre Augen waren jetzt offen, und wäre Joe nicht verlegen aufgestanden, hätte er vielleicht das amüsierte Funkeln darin gesehen.
    »Hör zu, ich glaube, ich gehe jetzt lieber.«
    Sie hielt ihn am Bein fest.
    »Joe. Wirklich! Weswegen bist du heute abend hergekommen. Was wolltest du mir sagen?« Sein Kopf ruckte millimeterweise zu ihr herum, wie bei einem Huhn. »Als du sagtest, >Ich weiß, was dir Kummer macht<«, fuhr sie fort, »was hast du damit gemeint?«
    Er setzte sich wieder hin und blies seine Backen auf. »Tess, ich will verflucht sein, wenn ich weiß, ob Vic eine Affäre hat.«
    »Das habe ich mir inzwischen fast gedacht.«
    »Ich... hör zu... hast du kürzlich irgendwelche Tests gemacht?«
    »Tests? Wie — für den Führerschein? Oder lateinische Grammatik?«
    »Nein — eher wie medizinische.«
    Sie verzog das Gesicht, sah plötzlich mädchenhaft aus. »Nein«,

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