Was sich kusst das liebt sich
einfach nicht gewöhnen konnte. In dieser Hälfte kam sie sich vor wie eine Schlafwandlerin, und nur der Schmerz zwischen ihren Beinen und ihre wunden Lippen erschienen ihr real.
Wenn sie nicht mit Max zusammen war und nicht an ihn dachte, war sie froh, dass sie sich mit dem Sex so lange Zeit gelassen hatte. Nicht nur, weil sie sich damit das ungeschickte Gefummel erspart hatte, das andere Mädchen im Teenageralter über sich hatten ergehen lassen, ehe es richtig gut wurde, sondern weil sie niemals erwartet hätte, dass sie derart unersättlich sein würde.
Dabei hätte sie es eigentlich wissen müssen. Sie hatte lange zu den Menschen gehört, die nicht in der Lage waren, einfach nur einen Schokoladenkeks zu essen, wenn noch 29 weitere in der Schachtel waren. Kaum hatte sie sich die Fressorgien abgewöhnt, hatten die Angestellten in ihrem Fitnessstudio ein ernstes Wort mit ihr reden müssen, weil sie sich beim Trainieren regelmäßig in einen derartigen Endorphinrausch versetzt hatte, dass sie Gefahr lief, süchtig nach Sport zu werden.
Es war also ganz gut, dass sie so ein Spätzünder war. Hätte sie bereits mit sechzehn angefangen– und wäre der Sex schon damals so gut gewesen–, dann hätte sie nie die Schule beendet, von ihrem Studium ganz zu schweigen. Die vielen Prüfungen hätten doch nur ihrem Verlangen nach Orgasmen im Weg gestanden.
Sie erschien dieser Tage nur deshalb in der Arbeit, weil Max morgens aufstehen musste, und dann saß sie mit abwesender Miene im Büro und träumte vor sich hin, sehr zum Missfallen von Rose und Mr Freemont, die zum allerersten Mal einer Meinung waren. Und Max verließ das Bett auch nur, weil ihn sein Agent, seine Chefin bei Skirt und seine Verlagslektorin regelmäßig telefonisch zur Schnecke machten, nachdem er zum wiederholten Male seine Abgabetermine verschlafen hatte.
» Ich glaube, ich weiß jetzt, warum wir es treiben wie die Karnickel«, sagte er eines Morgens zu Neve, als sie beschlossen hatten, dass noch Zeit für einen Quickie war, obwohl Neve bereits vor einer Stunde im Archiv aufschlagen hätte sollen. » Wir haben zwei Monate lang keinen Sex gehabt, und selbst wenn wir es nur einmal täglich getan hätten, dann sind uns damit mindestens sechzig Orgasmen durch die Lappen gegangen. Wir haben einen riesigen Nachholbedarf, und wir haben nicht genügend Zeit.«
Neve schaffte es immerhin zu ihren drei wöchentlichen Trainingseinheiten mit Gustav, weil er anderenfalls schonungslos Jagd auf sie gemacht hätte, aber von ihrer üblichen Ausdauer war nicht mehr viel übrig. » Das liegt an diesem Knaben«, schnarrte Gustav finster, als Neve nach fünf erleichterten Liegestützen kraftlos auf den Boden sank. » Ich wusste, dass das passieren würde.«
Zum ersten Mal in ihrem Leben verspürte Neve keinen Hunger, deshalb war es nicht sonderlich tragisch, wenn sie es mit dem Training nicht mehr so genau nahm. Sie schaffte es mit knapper Not, zu Mittag etwas zu essen, aber um zu frühstücken hätte sie eine halbe Stunde eher aufstehen müssen, und das Abendessen fiel ein ums andere Mal aus, weil sie entweder nach der Arbeit zu Max fuhr, oder er zu ihr kam, und dann fanden sie gerade mal genügend Zeit für ein » Wie war dein Tag?«, ehe sie mit dem Knutschen begannen, und Knutschen reichte ja mittlerweile nicht mehr…
Gegen elf kämpften sie sich kurz aus dem Bett, um mit Keith eine Runde zu drehen und im nächstgelegenen 24-Stunden-Laden eine Packung Toastbrot und einen wie auch immer gearteten Belag zu erstehen. Neve lebte von Sex, schwarzem Kaffee, Nudeln auf Toast, Käse auf Toast und Erdnussbutter auf Toast– egal was, solange es sich auf zwei Scheiben leicht gebräuntes Brot legen, streichen oder häufen ließ.
Vier Wochen führten sie praktisch ein Dasein wie siamesische Zwillinge, die an der Hüfte (oder anderen angenehmen Körperstellen) zusammengewachsen waren, dann mussten sie das Undenkbare tun– sie mussten eine Nacht getrennt schlafen. Max musste zu einem Termin mit einem PR -Manager und anschließend zu einem Galadiner samt Preisverleihung. Neve nützte die Zeit, um ihre Wäsche zu waschen und mal wieder einen Abend mit Celia zu verbringen, auch wenn das bedeutete, sich einem Verhör zu unterziehen, gegen das sich die spanische Inquisition wie ein angenehmer Zeitvertreib ausnahm.
» Was ist denn mit dir los?«, platzte Celia heraus, sobald Neve die Tür geöffnet hatte. » Ich habe dich seit Wochen nicht mehr gesehen, und ich habe gehört, wie
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