Was sich kusst das liebt sich
Charlotte dich angebrüllt hat, weil dein Bett so einen Krach macht, und du hast drei, nein, vier Knutschflecken, einen davon über dem Knie, wie kommt der da hin? Und seit wann läufst du zu Hause in Slip und Unterhemdchen rum?«
Neve wusste, sie hätte der Fragelawine Einhalt gebieten sollen, aber wann immer sie den Mund öffnete, kam nur ein Gähnen heraus. Also ging sie ins Bad, um ihre Seidennachthemden vorsichtig im Waschbecken zu waschen, während Celia mit einer Packung Krabbenchips auf dem Badewannenrand hockte und ihr darlegte, wie albern sie sich benahm.
» Ich weiß genau, was los ist«, zeterte Celia. » Du treibst es mit Max! Ich dachte ja, ihr würdet es schon länger tun, was ein Irrtum war, zugegeben, aber jetzt weiß ich es sicher.«
» Solltest du nicht mal kurz Luft holen, Celia?«, fragte Neve, während sie ihr dunkelblaues Nachthemd über den Kleiderständer in der Badewanne drapierte.
» Luft holen wird total überbewertet«, winkte Celia ab. » Und lenk nicht vom Thema ab. Hier geht es nicht nur darum, dass ihr es treibt wie die Karnickel. Max flirtet nicht einmal mehr mit den Mädchen aus der Beautyredaktion, wenn er ins Büro kommt, und du hast dieses selige Grinsen im Gesicht, sobald sein Name fällt. Ihr seid bis über beide Ohren ineinander verknallt. Ist das wirklich noch eine Pfannkuchenbeziehung, oder ist es jetzt doch etwas Ernstes? Und wirst du Willy McWordy sagen, dass er Geschichte ist? Wo soll das hinführen?«
Das war eine gute Frage, aber eine, die Neve nicht beantworten konnte, denn sie redete mit Max nicht darüber, wo das hinführen sollte. Sie redeten oft darüber, wie viele Tage ihnen noch blieben und wie viel Zeit sie davon in der Horizontalen verbringen konnten. Sie murmelten einander allerlei Dinge zu, aber sie redeten nicht darüber, was sie hier taten oder welche Konsequenzen es hatte und ob sie es nicht besser bleiben lassen sollten. Und das fand Neve ganz gut so, denn sie hatte ihr Leben lang große Reden geschwungen und Hypothesen aufgestellt, und es hatte sie noch nie besonders weit gebracht.
Also drehte sie sich einfach zu Celia um und zuckte die Achseln. » Keine Ahnung, wo das hinführen soll. Ich meine, wen interessiert’s?«
Den Blick, den ihr diese Worte eintrugen, würde sie ihr Lebtag nicht mehr vergessen. So geschockt hatte Celia nicht einmal an dem Tag ausgesehen, als sie erfahren hatte, dass sich Charlotte dieselbe Chloe-Tasche gekauft hatte, auf die sie monatelang gespart hatte. Sie verschluckte sich an einem Krabbenchip, und als sie wieder sprechen konnte, keuchte sie: » Oh mein Gott, Neve! Du hast dich in mich verwandelt!«
Neve hätte sie um ein Haar darauf aufmerksam gemacht, dass sie dazu siebzehneinhalb Zentimeter wachsen und achtzehn Kilo hätte abnehmen müssen. Doch dann dachte sie daran, wie Max darauf reagieren würde. Sie hörte förmlich das laute Klatschen seiner Hand auf ihrem nackten Po und schauderte wohlig. » Bedeutet das etwa, dass du dich dann in mich verwandelst?«, fragte sie mit einem schelmischen Grinsen. » Hast du in letzter Zeit irgendwelche guten Bücher gelesen? Und nein, die neueste Ausgabe der Vogue zählt nicht.«
» Grins nicht so dämlich, und hör auf, Witze über die Vogue zu reißen. Du jagst mir ja Angst ein«, jammerte Celia. Aber sie schien auch Gefallen an ihrer neuen, entspannten Schwester zu finden, wenngleich es ihr nicht in den Kram passte, dass diese neue, entspannte Neve keinen vollen Kühlschrank hatte und keine Details über ihr Liebesleben ausplauderte.
» Ist er größer als deine Brotdose?«, wollte sie wissen, nach dem sie Neve stundenlang mit Fragen bombardiert hatte. » Okay, so groß ist er wohl kaum, aber ist er größer als ein King-Size-Snickers?«
» Ich weiß nicht mehr, wie groß ein King-Size-Snickers ist«, erwiderte Neve. Dann hörte sie, wie ihre Wohnungstür aufgesperrt wurde.
» Scha-hatz, bin wieder da«, ertönte Max’ Stimme. » Ich bin nach den Dankesreden gegangen.«
» Er hat sogar einen Wohnungsschlüssel«, stieß Celia hervor, während Neve aufsprang und in den Flur eilte.
» Du hast dich gar nicht angezogen? Gut, so sparen wir uns wertvolle Minuten.« Er selbst trug Jeans und ein T-Shirt von The Clash ; sein Sakko legte er gleich ab.
Neve kam nicht mehr dazu, ihm zu sagen, dass ihre neugierige kleine Schwester zu Besuch war, denn er packte sie und küsste sie so leidenschaftlich, dass sie völlig vergaß, dass sie überhaupt eine kleine Schwester hatte.
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