Was sich kusst das liebt sich
wieder in London bin.«
Jetzt war unversehens Neves Neugier geweckt. » Was denn?«
» Das ist eine Überraschung. Eine angenehme Überraschung.« Neve hatte ganz vergessen, wie warmherzig seine Stimme klingen konnte. Er konnte einem das Gefühl geben, der wichtigste Mensch auf der Welt zu sein– oder zumindest der wichtigste Mensch in seiner Welt. » Soll ich raten?«
» Ach, lass mal. Es ist so abwegig, das errätst du nie. No chance.« Er gluckste erneut, und Neve musste grinsen.
» No chance? Haben deine amerikanischen Studenten etwa auf dich abgefärbt?«
» Yo, man.«
Jetzt lachten sie beide. Es war albern, und obendrein abwegig bis dorthinaus, aber vielleicht hatte sich all ihre harte Arbeit ja doch gelohnt. Vielleicht ging ihre Hoffnung tatsächlich in Erfüllung und William erwiderte ihre Gefühle. Vielleicht lautete die mysteriöse Frage, die er ihr stellen wollte: » Neve, willst du mit mir gehen?« Zugegeben, diese Formulierung klang eher nach pickligem Teenager als nach Universitätsdozent, aber…
» Also, du stehst ganz oben auf meiner To-do-Liste«, sagte nun der echte William gerade, und Neve verabschiedete sich widerwillig von ihrer Zukunftsvision, in der William zu ihrem ersten offiziellen Date mit einem riesigen, aber sehr geschmackvollen Strauß weißer Rosen aufkreuzte. » Um die zweite Juliwoche bin ich zurück.«
In etwa drei Wochen also. Diese Erkenntnis ließ sie sämtliche Gedanken an erste Verabredungen und weiße Rosen auf der Stelle vergessen. Selbst wenn sie einen Chirurgen auftrieb, der ihr noch heute Nacht ein Magenband einsetzte, reichten drei Wochen nicht aus, um fast zehn Kilo abzunehmen und um zwei ganze Kleidergrößen zu schrumpfen. » Okay«, sagte sie matt. » Ich freu mich drauf.«
» Ich kann es auch kaum erwarten«, sagte William begeistert. » Wir haben uns viel zu lange nicht gesehen.«
Neve wünschte ihm eine schöne Reise, murmelte einen Abschiedsgruß und wartete ab, bis er aufgelegt hatte, dann ließ sie sich rücklings auf das Bett plumpsen. Sie war so knapp davor, alles zu bekommen, das sie sich je gewünscht hatte. Aber warum fühlte es sich so an, als würde sie alles verlieren?
Wenn sie mit William zusammensein wollte, musste sie sich von Max trennen.
Du hast noch drei Wochen, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf hartnäckig, doch Neve blendete sie aus. Sie konnte nicht einfach so weitermachen, ohne Max Bescheid zu sagen. Das wäre nicht fair. Sie hatte von Anfang an mit offenen Karten gespielt, und genauso würde sie es auch beenden. Und sie würde es rasch tun, auch wenn sie zu den Leuten gehörte, die gute fünf Minuten brauchen, um ein Pflaster abzureißen.
Sie sprang vom Bett auf, suchte ein sauberes Paar Socken und schlüpfte in ihre Turnschuhe, und dann machte sie sich in T-Shirt und Pyjamahose auf den Weg.
Draußen war es kühl, die Sonne verschwand gerade hinter ein paar dunklen, schmutzig wirkenden Wolken, aber Neve bemerkte gar nicht, dass sie an den Armen eine Gänsehaut bekam. Sie bog in die Stroud Green Road ein, wurde immer schneller und legte die Strecke nach Crouch End, die sie so oft gemütlich gejoggt war, in Rekordtempo zurück. Als sie die Straße erreicht hatte, in der Max wohnte, versuchte sie, die Geschwindigkeit etwas zu drosseln, aber ihr Gehirn wollte den Befehl partout nicht an die Beine weitergeben. Mit einem Hops sprang ( sprang ! ) sie über die Gartenmauer, hastete das kurze Stück bis zum Haus und wäre beinahe gegen die Tür gerannt.
Als sie nach dem Schlüssel tastete, den Max für sie hatte nachmachen lassen, stellte sie fest, dass ihre Pyjamahose gar keine Taschen hatte, und erst da wurde ihr klar, dass sie ihre Wohnung verlassen hatte, ohne die Tür zuzusperren. Sie klingelte. Hoffentlich hatte Max seine Pläne nicht geändert und war tatsächlich ins Bett gegangen… Andererseits schlief er wie ein Toter, wenn er richtig müde war. Sie drückte erneut auf die Klingel und ließ den Finger dort, bis sie hörte, wie drinnen jemanden die Treppe hinuntertrampelte.
Die Tür schwang auf. » Das war flott«, sagte Max. » Ich habe die SMS doch erst vor fünf Minuten abgeschickt.«
» Ich habe keine SMS bekommen«, keuchte Neve und beugte sich vornüber, die Hände auf die Knie gestützt.
» Ha! Ich wusste doch, dass du zuerst weich wirst«, krähte er. Dann trat er barfuß über die Schwelle und legte ihr eine Hand auf den Rücken. » Ist alles okay, Süße?«
» Nein.« Neve richtete sich auf. Ihr Atem ging
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