Was sich kusst das liebt sich
verspeist hatte und ihr seine volle Aufmerksamkeit schenken konnte.
Neve sah von ihrem Teller Rucola und Radiccio hoch. » Ich bin nicht besonders hungrig«, murmelte sie, und es stimmte. Ihr Magen hatte fast den ganzen Tag über lautstark gegen ihre neue Ernährungspolitik protestiert, doch nun fühlte es sich an, als wären ihre Eingeweide ein riesiger Knoten. » Und ich habe beschlossen, eine Entgiftungskur zu machen.«
Max seufzte. » Bitte fang nicht wieder mit diesem Mist an. Fallen Fastenkuren in die Kategorie Selbstkritik? Wenn ja, dann weiß ich ein gutes Gegenmittel.« Er betrachtete vielsagend seine flache Hand, und Neve fragte sich, ob sie ihm nach der Henkersmahlzeit auch noch ein allerletztes Schäferstündchen gewähren sollte. » Hühnerkeule oder Hinternversohlen? Du hast die Wahl.«
Essen oder Sex, darauf lief im Grunde alles hinaus. Sie konnte sich weiterhin mit Max die Hamsterbacken vollstopfen, aber dafür musste sie sich den Sex mit William abschminken. Wobei ihre Gedanken an William ohnehin kaum je sexueller Natur waren.
» Na, wie lautet die Entscheidung, Neve?« Max tippte ihren Fuß spielerisch mit dem großen Zeh an. » Selber reinhauen oder verhauen lassen?«
» Nein! Max, ich will keine Hühnerkeule, und, naja, wenn du das tun willst… muss ich zuerst mit dir reden.«
» Das klingt ja ominös.« Max stellte das Bier ab und verschränkte die Arme. » Geht es darum, dass ich schon wieder vergessen habe, die Klobrille runterzuklappen?«
Neve schüttelte den Kopf. » Max«, sagte sie. » Max…«
» Ich habe etwas richtig Schlimmes angestellt, nicht? Habe ich die Brille etwa auch noch angepinkelt? Wiederholst du deshalb immer wieder so traurig meinen Namen, als hätte ich nicht nur dich enttäuscht, sondern auch mich selbst?«
» Nein, Max.« Neve blickte ergeben zur Decke. Sie kam einfach nicht über seinen Namen hinaus. Vielleicht sollte sie ihm doch einen Brief schreiben. » Du sollst wissen, dass ich dich wirklich sehr gern habe und dass ich dich als einen meiner engsten Freunde betrachte«, sprudelte sie hervor. Na, also. Das war ein ganzer Satz gewesen. Max grinste nicht mehr ganz so breit und hörte ihr aufmerksam zu. Das war gut. Irgendwie.
» Und ich hoffe, dass du das auch weiterhin bleiben wirst.« So, Teil eins erledigt. Sie blickte erneut zur Decke und atmete tief durch. » William hat neulich angerufen. Er kommt in… ähm… etwas mehr als zwei Wochen nach London zurück, und deshalb bin ich der Meinung, dass wir, naja, ab jetzt nur noch Freunde sein sollten.«
Max schwieg einen Augenblick und zupfte am Etikett seiner Bierflasche herum. » Wann genau hat er angerufen?«, fragte er mit sanfter Stimme.
» Ähm, am Freitag, glaube ich.«
» Vor drei Tagen also? Vor dem Wochenende, das wir zusammen verbracht haben?« Er saß mit gebeugtem Kopf da.
Neve starrte seinen Scheitel an. » Ja. Ich wollte es dir sagen, aber…«
» Dann bist du jetzt also bereit für dein Leben mit Mr California?« Es war schwer zu sagen, was Max empfand. Er wich ihrem Blick aus, und sein Tonfall war neutral. Neve sah auf ihren halb vollen Teller Salat hinunter und dann wieder zu Max. Das eine schien das andere auszuschließen. Wie sollte sie reagieren, wenn er sich ihr zu Füßen warf und sie anbettelte, bei ihm zu bleiben?
» Nun, er meinte, er muss mich etwas Wichtiges fragen, aber ich habe keine Ahnung, was das sein könnte«, sagte Neve vorsic htig. » Also, was wird jetzt aus uns? Was möchtest du tun?«
» Du isst also seinetwegen dieses Hasenfutter. Für Mr California muss ja alles perfekt sein.«
» Ich habe im vergangenen Monat wieder ordentlich zugenommen.« Neve versuchte, nicht vorwurfsvoll zu klingen. » Selbst wenn William nicht zurückkäme, müsste ich mich irgendwann wieder auf meine Ernährung und mein Fitnessprogramm konzentrieren.«
» Tja, das war’s dann wohl.« Max erhob sich und knallte die Bierflasche auf den Tisch.
» Das war was?« Neve stand ebenfalls auf. Max hatte die Küche bereits verlassen und ging nach oben ins Schlafzimmer. » Könntest du mir meinen Rasierer und meine Zahnbürste bringen?« Er bückte sich und griff nach dem kleinen Häufchen Socken und Shorts, das bereits zur fixen Einrichtung gehörte.
Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte Neve Angst, ihn zu berühren. » Was machst du da?«
» Wonach sieht es denn aus?«, fragte Max, während er seine Klamotten in seine Tasche stopfte. » Die Salinger-Bücher lasse ich hier, die lese ich
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