Was sich kusst das liebt sich
Nein! Was ist denn mit dir los?«
» Du weißt genau, was mit mir los ist.«
Das wusste Celia in der Tat, denn Neve hatte sie angerufen, sobald sie das Fitnessstudio verlassen hatte, den Tränen nah und schäumend vor Wut, und Celia hatte gelobt, in der Mittagspause im Archiv vorbeizukommen, obwohl sie » nicht gern von Dingen toter Menschen umgeben« war.
Jetzt saß sie auf einem unbequemen, harten Stuhl und versuchte, möglichst flach zu atmen, weil es im Souterrain nach Schimmel roch. Das entsprach zwar den Tatsachen, aber wenn Mr Freemont es gehört hätte, wäre er ihr bestimmt an die Gurgel gegangen, denn Schimmel war der schlimmste Albtraum jedes Archivars. Sie ließ den Blick über die vergilbten Unterlagen auf dem Schreibtisch gleiten und rümpfte die Nase.
» Hör zu, ich weiß, es regt dich auf, dass du… wieder zugenommen hast, aber du solltest erst einmal ein bisschen runterkommen, ehe du Max abservierst. Und sei nicht so gemein, wir reden hier schließlich über Max.«
» Ich weiß, über wen wir reden, und jetzt hör auf, mich so vorwurfsvoll anzusehen, als wäre meine Reaktion total überzogen.« Doch inzwischen war der Schock über die unerwartete Gewichtszunahme etwas abgeklungen, und ihre Bockigkeit kam ihr selbst etwas überzogen vor.
» Er hat doch auch gute Seiten. Du hast richtig glücklich gewirkt. Und im Übrigen ist er bei Skirt in der Hierarchie weiter oben als ich, und wenn Grace hört, wie du ihn abserviert hast, dann lässt sie mich garantiert das nächste halbe Jahr Haarspangen nach Farben sortieren. Du ahnst ja gar nicht, wie viele Haarspangen wir haben. Das habe ich nicht verdient.«
» Nein, vermutlich nicht«, stimmte Neve ihr nachdenklich zu. » Und ja, er hat mich glücklich gemacht. Zu glücklich. So glücklich, dass ich leichtsinnig wurde. Und du siehst ja selbst, was ich mir damit eingebrockt habe.« Sie deutete auf ihre Hüften. » Erst konnte ich ewig keinen Pfannkuchenfreund auftreiben, und jetzt habe ich keine Ahnung, wie ich ihn wieder loswerden soll.«
» Na, er wusste doch, dass Willy McWordy irgendwann zurückkommen würde. Das nimmst du als Einleitung, und dann faselst du irgendwas von wegen ›war schön mit dir, aber wir wussten doch beide, dass es nur vorübergehend ist‹, blablabla, und dann sagst du ihm, dass ihr Freunde bleiben solltet. Ganz einfach.«
Neve schrieb eifrig mit. » Okay, ich werde versuchen, nett zu ihm zu sein. Und was unternehme ich dagegen?« Sie deutete auf ihre Oberschenkel. Es kam ihr so vor, als würden ihre Jeans heute bereits deutlich enger sitzen als gestern.
» Wie stehst du zum Thema Darmspülung?«
» Ähm, noch habe ich keine Meinung dazu«, erwiderte Neve, doch in ihrem Kopf ratterte es bereits. Sich einen Plastikschlauch in den Hintereingang schieben zu lassen, schien ihr ein verhältnismäßig kleiner Preis, wenn sie damit auf einen Schlag zwei, drei Kilo leichter wurde.
» Und du trinkst doch ganz gern Gemüsesäfte, oder?«, fuhr Celia fort. » Mit Weizenkeimen versetzt und kleinen japanischen Beeren und so weiter…«
» Naja…«
» Dann kann ich dir beim Abnehmen helfen«, sagte Celia stolz. » Du könntest die Hardcore-Entschlackungskur für unsere Gesundheitsredakteurin machen.«
Neve spürte, wie ein kleiner Funken Hoffnung in ihr aufkeimte. Oder war das nur ihr leerer Magen, der rumorte? Sie hatte vor dem Training nichts gegessen. » Hardcore-Entschlackungskur? Was ist das?«
Es war die neueste Mode-Diät aus New York, und zurzeit wurde das Produkt in London getestet. Die Testpersonen erhielten alle drei Tage per Kurier drei verschiedene Shakes, die sie morgens, mittags und abends trinken sollten, kombiniert mit Kräutertee, rohem Gemüse und einer ganzen Reihe von Vitaminpräparaten. » Es dient eigentlich zum Entgiften, hilft aber angeblich auch hervoragend beim Abnehmen, und außerem fühlt man sich energiegeladen und geistig fit«, erklärte Celia. » Alle meine Kolleginnen wollten es ausprobieren, obwohl man davor eine medizinische Verzichtserklärung unterschreiben und eine Darmspülung machen muss.«
Die medizinische Verzichtserklärung wirkte auf Neve nicht sonderlich abschreckend– sie befand sich schließlich in einer verzweifelten Lage. » Und warum haben sie es dann doch nicht getan?«
» Weil das Zeug total widerlich schmeckt. Man kriegt es kaum runter, ohne zu würgen. Selbst bei dem Shake mit Orangengeschmack hätte ich mich fast übergeben.«
» Ich bin dabei.« Im Runterwürgen war
Weitere Kostenlose Bücher