Was sich kusst das liebt sich
hatte und dann im strömenden Regen nach Hause geradelt war, fühlte sich Neve erschöpft und belebt zugleich. Die Gewissheit, dass sie nur mehr ein paar Monate Single sein würde, hatte ihr ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert, das nicht mehr vergehen wollte. Als sie in die Abelard Road bog, sah sie schon von Weitem, dass im Haus Nummer27 keine Lichter brannten. Das Leben konnte so schön sein! Normalerweise ging Neve am Samstagabend aus, und sei es nur ins Kino, aber heute waren ihre Freundinnen, die in Beziehungen lebten, natürlich alle verabredet, und ihre alleinstehenden Bekannten hatten beschlossen, am Valentinstag zu Hause zu bleiben. Mit gutem Grund– wenn einem an jeder Ecke knutschende Paare begegneten, waren Tobsuchtsanfälle oder Selbstmordgedanken ja quasi vorprogrammiert.
Neve freute sich auf einen gemütlichen Abend zu Hause. Celia und Yuri waren auf einer » Scheiß auf den heiligen Valentin«-P art y in Dalston, und wie es aussah, hatte Charlotte Douglas dazu überreden können, mit ihr auszugehen, um die absolute Farce zu feiern, die sie ihre Ehe nannte. Neve konnte also die Schuhe anbehalten und nach Herzenslust herumtrampeln. Sie konnte sogar Radio 4 hören und beim Kochen nach Herzenslust herumklappern. Sie war gerade vom Fahrrad gestiegen, um das Tor zu öffnen, da bemerkte sie eine dunkle Gestalt, die auf der Schwelle vor der Haustür kauerte.
Neve tastete nach ihrem Schlüsselbund, um ihn im Notfall als Waffe benutzen zu können. Im selben Augenblick erhob sich die Gestalt, und das Licht der Straßenlaterne fiel auf den vermeintlichen Angreifer. Neve blieb wie angewurzelt im offenen Vorgartentor stehen.
» Max? Was suchst du denn hier?«
» Ich hab deinen Brief bekommen, und ich hatte so den Verdacht, dass ich dich am Samstagabend allein zu Hause antreffen würde«, erklärte Max. » Ich will mit dir reden.«
» Es gibt nichts zu bereden«, versicherte ihm Neve. Sie umklammerte den Schlüsselbund und versuchte, seine unverschämte Bemerkung bezüglich ihrer Samstagabendgestaltung zu ignorieren. » Ich habe gesagt, was ich zu sagen hatte. Ich habe mich entschuldigt!«
» Ja, das hast du. Und zwischen den Zeilen hast du mich als eine Art männliche Nutte bezeichnet. Hör zu, ich bin nicht hier, um mich zu streiten. Ich will nur ein bisschen mit dir… plaudern.« Es klang, als wäre das nicht der gesuchte Ausdruck, sondern der einzige, der ihm gerade eingefallen war.
» Ich wüsste nicht, was es da noch zu besprechen gibt.« Es goss immer noch in Strömen, und Neve spürte, wie sich die ersten Tropfen einen Weg in den Kragen ihrer Regenjacke bahnten. » Außerdem komme ich gerade vom Fitnesscenter, und wie du siehst, war ich mit dem Rad unterwegs und bin völlig durchnässt…«
Max zuckte die Achseln. » Ich könnte warten, während du duschst und dich umziehst.«
Neve musterte ihn argwöhnisch. Es kam gar nicht in Frage, dass er sich einfach in ihr Wohnzimmer setzte, während sie nackt im Bad war. Dachte er etwa, dass sie all ihren schriftlichen Beteuerungen zum Trotz doch noch einmal einen Versuch starten wollte? » Nein, das kannst du nicht«, zischte sie empört. » War das neulich denn nicht schon schlimm genug?«
» Glaub mir, ich habe immer noch Albträume deswegen«, knurrte Max. » Ich will nur reden. Wie wär’s mit dem Pub dort an der Ecke?«
» Was ist damit?«
» Wir könnten uns dort treffen. Sagen wir in einer halben Stunde?« Max trat unter dem Vordach hervor, sodass Neve nichts anderes übrig blieb, als ihr Rad etwas zurückzuschieben, damit er an ihr vorbeigehen konnte.
» Hast du einen Schirm?«, hörte sich Neve fragen. » Ich könnte dir einen leihen… Oh.«
Max öffnete einen riesigen Golfregenschirm, der augenscheinlich aus dem Hotel Four Seasons in Beverly Hills stammte.
» Dann sehen wir uns also in einer halben Stunde?« Sie standen sich jetzt gegenüber, mit dem Fahrrad quasi als Hemmschwelle zwischen ihnen.
» Wenn’s denn sein muss«, sagte Neve unfreundlich. » Obwohl ich mir echt nicht vorstellen kann, worüber wir uns unterhalten sollten.«
» Okay«, sagte Max. » Ich bestelle dir ein Glas Weißwein.«
» Kein Alkohol für mich«, rief ihm Neve nach. » Nie wieder!«
Die Aussicht, sich mit Max auf einen Drink im Hat and Fan zu treffen, behagte Neve ungefähr so sehr wie die auf eine Trainingspause, aber seinem entschlossenen Blick nach zu urteilen war ihm zuzutrauen, dass er anderenfalls zurückkommen und bei ihr dauerklingeln würde, bis
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