Was sich kusst das liebt sich
Sonntagsessen am großen Tisch draußen im Hauptraum und daran, wie sie auf den Zehenspitzen ihres Großvaters Fred stehend mit ihm zu den alten Frank-Sinatra-Platten ihrer Großmutter getanzt hatte. » Es ist quasi mein zweites Zuhause.«
» Und das wird es auch bleiben, solange ich hier die Wirtin bin«, versicherte ihr Bridie, die eben hereingekommen war. » Gib mir deinen Mantel, Schätzchen, und dann sag mir, was du trinken möchtest.«
» Könntest du mir eine Tasse Tee bringen?«, bat Neve und reichte Bridie den Mantel.
» Wie wär’s mit ein paar Sandwiches oder einem Teller Suppe dazu? Ich hätte eine hausgemachte Ochsenschwanzsuppe.«
» Nur Tee, bitte.« Neve setzte sich auf das Sofa, das im rechten Winkel zu Max’ Sofa stand.
Bridie warf Max einen mißtrauischen Blick zu. » Und hat dein junger Mann hier vielleicht noch einen Wunsch?«
Max sah in seinen Jeans und dem gestreiften Wollpullover ziemlich harmlos aus, und er hatte wirklich nichts angestellt, wofür er eine derart offene Feindseligkeit verdient hätte. Aber es reichte schon, dass er einen Penis hatte und Neve persönlich kannte.
» Er ist nicht mein junger Mann«, korrigierte Neve leise mit einem entschuldigenden Lächeln in Richtung Max, worauf Bridie fragend die Augenbraue hob. » Das ist Max, ein Arbeitskollege von Celia.«
Bridie verzog das Gesicht, als wäre einer ihrer Gäste in einen Hundehaufen getreten und dann mit den schmutzigen Schuhen über ihre Teppiche gelaufen, und Neve schlug sich im Geiste mit der Hand an die Stirn. Celia war mit ihren extravaganten Klamotten und ihren eingebildeten Freunden das schwarze Schaf der Familie Slater. Außerdem war sie nach dem Schulabschluss nach New York abgehauen und hatte, wenn man Bridie Glauben schenken wollte, » ihrer armen Mutter das Herz gebrochen«. Neve konnte sich an nichts dergleichen erinnern. Ihre Mutter hatte sich ziemlich aufgeregt, als Celia unangemeldet bei Tante Catherine in New Jersey aufgekreuzt war, aber das war’s auch schon.
» Na gut, dann hole ich dir mal deinen Tee«, meinte Bridie mit einer Hand an der Tür. » Gib Laut, falls du noch irgendetwas brauchst.« Sie ließ die Tür offen, um Neves Hilferufe besser hören zu können, sollte sich Max, von Lust übermannt, auf sie stürzen.
» So, so, ein Wort von dir, und ich fliege raus?« Max leerte sein Pint-Glas. » Verfolgt von einer Meute mit brennenden Fackeln, oder wie?«
» Ich schätze eher, dass sie dir mit Heugabeln Beine machen werden«, entgegnete Neve ruhig. Hier hatte sie Heimvorteil und konnte einigermaßen selbstbewusst auftreten.
» Ah, du hast also doch einen Sinn für Humor?« Max zuckte mit den Achseln. » Ich hatte schon ernsthaft daran gezweifelt.«
Und schon kam sich Neve wieder linkisch und unsicher vor. » Also, wegen neulich Nacht… es tut mir wirklich leid«, begann sie zögernd. » Ich habe versucht, dir in meinem Brief alles zu erklären. Ich verstehe nicht ganz, wieso wir das jetzt noch einmal durchkauen müssen.«
» Ich habe noch nie einen Entschuldigungsbrief nach einem One-Night-Stand bekommen.«
» Es war kein One-Night-Stand«, flüsterte Neve aufgebracht. » Kein richtiger jedenfalls.« Er war doch nur einmal kurz in sie eingedrungen– das zählte ja wohl kaum, oder?
» Naja, irgendwie schon«, erwiderte Max, zum Glück nun ebenfalls im Flüsterton. Er schien bemerkt zu haben, dass hier die Wände Ohren hatten. » Jedenfalls hat es mich fertiggemacht, und dann dachte ich, womöglich bist du noch viel fertiger mit den Nerven als ich, und… Ich wollte einfach sichergehen, dass bei dir alles in Ordnung ist.«
Das hatte Neve nun wirklich nicht erwartet. Sie atmete aus und lockerte bewusst diverse angespannte Muskeln.
» Also: Geht es dir gut?«, wollte Max wissen und legte Neve so behutsam eine Hand auf den Arm, als hätte er Angst, dass er abbrechen könnte. Oder dass sie gleich um Hilfe rief.
» Ob es mir gut geht?« Neve überlegte, aber ihre glühenden Wangen waren Antwort genug. » Ich denke schon, mal abgesehen davon, dass ich am liebsten vor Scham sterben würde.«
» Genau das hatte ich befürchtet.« Max rutschte in die eine Ecke seines Sofas, möglichst nahe bei Neve und trotzdem in gebührendem Abstand. » Sex ist kein Grund, sich zu schämen. Es ist keine große Sache.«
» Und ob es das ist.« Neve musste bei der Erinnerung daran einmal bewusst durchatmen. » Zumindest sollte es das sein. Es ist das Intimste, das man mit einem anderen Menschen tun
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