Was sich liebt, das trennt sich: Roman (German Edition)
schwindelig oder hast du irgendwo ein Taubheitsgefühl?«
»Ich kann wieder nach Hause gehen.« Miss Abigails Stimme klang näselnd, aber entschlossen. »Gentlemen, wenn Sie sich bitte entfernen würden, damit ich mich ankleiden kann ...«
Der Neurologe sagte zu Luke: »Wir müssen sie für ein oder zwei Tage hierbehalten. Für uns ist der ischämische Anfall ein Warnsignal. Bei ungefähr jedem dritten Patienten mit diesem Krankheitsbild kommt es irgendwann zu einem schweren Schlaganfall.«
»Wann irgendwann?«
»Es kann Tage oder Monate dauern, aber wahrscheinlich innerhalb eines Jahres. Sie darf keine anstrengenden Tätigkeiten mehr ausüben, die ihr Herz belasten - Treppensteigen, schwere Sachen heben und so weiter.«
Miss Abigail war genervt davon, das konnte Peggy sehen, dass der Arzt nicht mit ihr redete, sondern mit Luke. Die alte Frau sagte zu dem Neurologen: »Ich möchte mit meinem Neffen allein sprechen.«
Als die Ärzte gegangen waren, drückte Miss Abigail auf einen Knopf, um sich in eine sitzende Position zu bringen. »Zieh den Vorhang zu.«
»Ich warte draußen.« Peggy wollte gehen.
Miss Abigail rüttelte an ihrer Tropfstange. »Unsinn. Luke, würdest du den Vorhang zuziehen, bitte.«
Luke zog den Vorhang um das Bett herum und schloss sie alle drei in einen Kokon aus türkisfarbenem Vinyl ein.
»Wann habt ihr beide geheiratet?«, fragte Miss Abigail.
»Letzte Woche«, murmelte Luke.
Peggy wartete darauf, dass er eine Erklärung hinzufügte. »Es war eine Art stürmische Romanze«, sagte sie, als klar wurde, dass er nichts weiter dazu sagen würde. »Sie wissen doch, wie das ist. Man lässt sich hinreißen und plötzlich ist man verheiratet.« Sie kicherte angespannt.
Miss Abigail musterte Peggy von oben bis unten.
Peggys Gedanken rasten, während sie die Fragen vorausahnte, mit denen ihre Eltern sie ganz sicher bombardieren würden. Niemand sagte ein Wort. Verunsichert stieß sie hervor: »Es war Liebe auf den ersten Blick. Wie in den Filmen. Wir sahen uns über einen belebten Raum hinweg, unsere Blicke trafen sich und wir wussten es.« Sie wurde rot bei der Lüge und sah Luke an, um ihm zu signalisieren, dass er die Geschichte weiter ausschmücken sollte, aber er schien damit beschäftigt zu sein, einen unsichtbaren Punkt auf der Krankenhauswand zu studieren.
Miss Abigail räusperte sich. »Ich verstehe.«
Peggy wartete; jetzt würden die Fragen kommen. Als keine kamen, fuhr sie verzweifelt fort, um die Stille zu durchbrechen: »Ich nehme an, Sie fragen sich jetzt, warum wir die Ehe annullieren lassen wollen. Ich meine, ich würde mich das fragen, wenn ich Sie wäre.« Sie blickte wieder zu Luke hinüber, aber sein teilnahmsloser Gesichtsausdruck machte deutlich, dass sie auf sich allein gestellt war. »Also gut«, stammelte sie. »Ich glaube, man kann es am einfachsten so erklären, dass das, was einem in einem romantischen Moment richtig erscheint, dem Tageslicht einfach nicht standhält.« Sie plapperte, vermengte Metaphern. »Ich meine, um ein Beispiel zu nennen: Da ist schon mal das Problem, wo wir leben würden. Ich habe einen kleinen Laden in New York, den ich unmöglich aufgeben kann. Und Luke, na ja, er liebt einfach Connecticut ...« Sie hielt inne, abgelenkt von einem kaum merklichen Ausdruck des Erschreckens auf Lukes Gesicht. »S-Sie sehen also«, schloss sie, »dass wir aus diesem und anderen Gründen glauben, dass es besser ist, wieder getrennte Wege zu gehen.«
Miss Abigail schwieg für einen Moment und sagte dann: »Ihr habt den Arzt gehört. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit.«
»Das weißt du nicht«, widersprach Luke. »Nur jeder dritte Patient ...«
»Hör mit diesem Gewäsch auf, junger Mann. Ich bin einundneunzig Jahre alt. Ich habe ein langes Leben gelebt und nichts bereut. Bis heute Morgen. Jetzt muss ich in dem Wissen sterben, dass ich nicht verhindern konnte, dass sich der letzte lebende Sedgwick scheiden lässt.«
»Es ist eine Annullierung.« Nichts an Lukes Stimme deutete darauf hin, dass er sich aufregte, aber seine Hände waren zu Fäusten geballt.
Peggy wand sich. »Ich warte wirklich gerne draußen im Flur.«
Die alte Dame fixierte sie mit dem durchdringendsten Blick, den Peggy jemals gesehen hatte; die Tatsache, dass Miss Abigail angefangen hatte, wild zu husten, machte seine lähmende Kraft nur noch beeindruckender. Luke bot seiner Großtante Wasser an, das er aus einer Karaffe auf dem Nachttisch in eine Tasse goss, aber sie wies es grob
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