Was sich liebt, das trennt sich: Roman (German Edition)
ergreifen. »Abby, setz dich doch.«
Miss Abigail entriss ihm den Arm und blieb stehen. »Wir sind die älteste Familie in New Nineveh, Luke, und unser Überleben steht auf dem Spiel. Du bist unsere einzige Hoffnung. Es ist deine Pflicht als letzter lebender Sedgwick, für einen Erben zu sorgen.«
»Lowell, bitte setz die Papiere auf, so wie wir es besprochen haben«, sagte Luke leise.
»Lowie, sei doch bitte so nett und erkläre meinem Großneffen, dass man sich in unserer Familie nicht scheiden lässt. Wenn ein Sedgwick heiratet, dann bleibt ein Sedgwick verheiratet. Wir müssen mit gutem moralischen Beispiel vorangehen. Und diese junge Dame gehört zu den Adams aus New Nineveh! Ich wusste gar nicht, dass noch welche übrig sind.«
Luke ballte die Hände zu Fäusten. Er vergrub sie in seinen Taschen. »Abby, unsere Familie hat keinen Einfluss mehr. Wir müssen nicht mehr mit gutem Beispiel vorangehen. Und technisch gesehen ist es keine Scheidung, sondern eine Annullierung.«
Miss Abigail keuchte und fächelte sich mit ihrem Regenhut Luft zu.
»Entschuldige«, sagte Luke ruhig, »aber wann begreifst du endlich, dass du die Einzige bist, der noch etwas an dem Sedgwick-Erbe liegt?«
Seine Worte gingen in Geris Kreischen unter.
Abigail Agatha Sarah Sedgwick brach zusammen. In Zeitlupe knickten ihre Knie ein, ihre Augenlider flatterten und schlossen sich, und sie fiel nach vorn auf den ausgetretenen Teppich des Kanzleibüros von Lowell C. Mayhew.
Peggy hatte jede Seite einer drei Jahre alten Ausgabe des AARP-Magazins gelesen und überlegte, mit dem Field & Stream-Magazin weiterzumachen, als ein Mann in einem Arztkittel in den Warteraum der Notaufnahme kam. Luke, der während der vergangenen neunzig Minuten damit beschäftigt gewesen war, die seegrünen Wände anzustarren, stand auf. Peggy tat das Gleiche.
Luke sah sie an. »Du musst nicht hier sein.« Er klang genauso erfreut über ihre Anwesenheit, wie sie es über seine war.
»Ich habe keine Wahl.« Irgendwie war sie im Krankenwagen bei Luke und Miss Abigail gelandet, und jetzt war sie fünfzehn Meilen von New Nineveh entfernt in diesem Krankenhaus in Torrington, Connecticut, gestrandet, einem Ort, von dem sie noch nie gehört hatte. Was, wenn Brock jetzt im Laden anrief und sie sprechen wollte? Es war zwei Uhr; sie war schon den halben Tag nicht erreichbar. Sie hatte ihr Handy auf dem Beifahrersitz im Chevy auf der Church Street vergessen. Wenn sie jemals zu ihrem Auto zurückkam, dann war unter Garantie die Scheibe eingeschlagen und das Handy weg.
Der Arzt bedeutete Luke, ihm einen langen Flur hinunter zu folgen. Peggy ging hinter ihnen her; Luke war ihre einzige Verbindung zur Außenwelt. Nach ein paar Schritten sagte der Arzt: »Luke Sedgwick, nicht wahr? Tim Stancil. Ihre Eltern wohnten auf meiner Route, als ich damals Zeitungen ausgetragen habe. Wie geht es den beiden?«
»Sie sind tot. Wie geht es meiner Großtante?«
»Das tut mir leid, Mann.«
»Danke. Wie geht es meiner Großtante?«
Dr. Stancil schien Lukes Unfreundlichkeit nicht zu stören. »Wir müssen noch ein paar weitere Untersuchungen durchführen, um ganz sicherzugehen, aber der Neurologe wird Sie informieren.« Sie kamen beim Zimmer an. Lukes Großtante schlief im Bett, die Beine wie zwei Stöcke unter der dünnen Decke. Ein Tropfzugang steckte in einer knotigen blauen Vene auf einer gekrümmten Hand.
Ein Arzt mit einem Kugelschreiber in der Tasche seines weißen Mantels trat zu ihnen. »Ihre Großmutter hatte einen vorübergehenden ischämischen Anfall, eine kurze Unterbrechung des Blutflusses in einer Region des Gehirns.«
Peggy war kurz davor, dem Neurologen zu erklären, dass Miss Abigail nicht Lukes Großmutter war, und ihn zu bitten, sich allgemeinverständlich auszudrücken.
»Ein Schlaganfall?«, fragte Luke.
»Eine Art vorgetäuschter Schlaganfall, wenn Sie mir den Ausdruck verzeihen. Die Symptome bei einem vorübergehenden ischämischen Anfall gleichen denen bei einem Schlaganfall - Gleichgewichtsstörungen, partielle Taubheit, Schwäche und so weiter -, doch sie verschwinden nach wenigen Minuten. Bei einem echten Schlaganfall bleiben oft Schäden zurück.«
Abigail riss die Augen auf, und auf ihrem dünnen, runzeligen Gesicht stand ein alarmierter Ausdruck. »Mir geht es gut. Es war der Schock. Mehr nicht.«
Luke kniete neben ihr nieder. »Wie geht es dir?« Er sprach sanft und hielt ihr die Hand an die Stirn, als wäre sie ein krankes Kind. »Ist dir
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