Was sie nicht weiss
hat sie was beobachtet, das uns weiterhilft.«
Ramona de Bont wurde bereits aufs Revier Beursstraat gebracht. Durch den Einwegspiegel sieht Lois sie im Verhörraum sitzen, mit indignierter Miene, die mit unzähligen goldenen Reifen behängten Arme vor der Brust verschränkt.
»Ihr könnt reingehen und mit ihr reden«, sagt der Wachhabende.
Kaum haben sie den Raum betreten, zieht sie auch schon vom Leder. »Was soll das Ganze eigentlich? Erst krieg ich einen Anruf, ob bei mir eine Frau wohnt, die soundso aussieht, ich sag Ja, und dann werd ich selber verhaftet! Das lass ich mir nicht bieten! Ich kenn meine Rechte! Ohne triftigen Grund können Sie mich nicht festhalten.« Sie gestikuliert aufgeregt mit klirrenden Armreifen.
»Beruhigen Sie sich bitte«, sagt Fred, während er und Lois Platz nehmen. »Sie sind nicht verhaftet, wir wollen Sie lediglich befragen.«
»Befragen?«
»Genau, nicht verhören. Als Erstes wüssten wir gern, unter welchem Namen die Frau sich bei Ihnen eingetragen hat.«
»Mirjam Langhout. Aber wahrscheinlich heißt sie in Wirklichkeit anders, was?«
»Lassen Sie sich beim Einchecken nicht den Pass zeigen?«, erkundigt sich Lois.
»Nur, wenn ich wem nicht trau. Und die junge Frau hat einen guten Eindruck gemacht. Außerdem hat sie so … so verletzlich ausgesehen. Aber das war wohl Schein. Was hat sie denn verbrochen?«
Lois geht nicht auf die Frage ein. »Können Sie uns noch mehr über sie sagen?«
»Nicht viel. Sie war kurz angebunden. Wissen Sie, ich sag zu meinen Gästen immer freundlich Guten Tag und Auf Wiedersehen, ich frag, ob das Zimmer in Ordnung ist, ob sie noch was brauchen, zum Beispiel einen Stadtplan. Aber diese Mirjam hat kaum Antwort gegeben, schon das kam mir merkwürdig vor.«
»Haben Sie sich denn gar nicht mit ihr unterhalten? Irgendetwas muss sie doch gesagt haben?«, hakt Fred nach.
»Sie hat lange vor ihrem Laptop gehockt. Auf den Zimmern gibt es keinen Empfang, deshalb ist sie runtergekommen. In dem kleinen Aufenthaltsraum neben der Rezeption kann man nämlich das Funknetz von den Nachbarn mitnutzen.«
»Ihre Zimmer sind nicht mit Wi-Fi ausgestattet?«
»Nein. Es ist schließlich nur eine einfache Pension. Ich hab zwar einen Computer mit Internetanschluss unten stehen, aber die wenigsten Gäste benutzen ihn. Auch die junge Frau nicht.«
»Konnten Sie sehen, was die Frau genau gemacht hat?«
»Wie käm ich dazu, meinen Gästen nachzuspionieren!«
»Es könnte doch sein, dass Sie zufällig im Vorbeigehen etwas mitbekommen haben.«
Ramona de Bont wird rot. Sie holt tief Luft und sagt: »Na ja, sie hat was auf Facebook gemacht, da sind die jungen Leute heutzutage ganz wild drauf.«
»Also doch«, sagt Fred.
»Es war reiner Zufall, dass ich das gesehen hab«, verteidigt sich die Pensionswirtin. »Ich musste an ihr vorbei, weil ich das Fenster zumachen wollte, und dass ich gute Augen hab, da kann ich doch nichts für, oder?«
»Auf keinen Fall. Ist Ihnen sonst noch etwas aufgefallen?«
Nein, nichts weiter, was Ramona de Bont aber nicht davon abhält, nochmals ausführlich ihre Menschenkenntnis zu rühmen und zu behaupten, im Grunde habe sie sofort gemerkt, dass da etwas faul war. Als Lois fragt, warum sie dann nicht gleich die Polizei benachrichtigt habe, schweigt sie.
»Können Sie sich einen Grund denken, warum die Frau geflohen ist? Haben Sie sie etwa gewarnt?«, setzt Fred die Befragung fort.
»Was denken Sie von mir!?«, kommt es empört.
»Nun ja, sie könnte Ihnen zum Beispiel leidgetan haben. Vorhin sagten Sie, die Frau habe so verletzlich ausgesehen.«
»Doch nur am Anfang, in Wirklichkeit war das eine ganz arrogante Person, die den Mund kaum zum Grüßen aufkriegte. Was, sagten Sie noch mal, hat sie verbrochen?«
Fred steht auf und reicht ihr die Hand. »Herzlichen Dank, Frau de Bont. Sie haben uns sehr geholfen. Wenn wir noch weitere Fragen haben, melden wir uns bei Ihnen.«
Widerwillig verlässt die aufgetakelte Pensionswirtin den Verhörraum und wird von einem uniformierten Polizisten zum Ausgang begleitet.
»Facebook«, sagt Lois. »Was hat sie auf Facebook gesucht?«
»Die Frage lautet eher: wen? Wenn man jemanden sucht, geht man mittlerweile zuerst über die sozialen Netzwerke. Hat Leegwater nicht auch gesagt, er sei bei Face book?«
»Ja, und außerdem twittert er.«
44
Das Haus ist größer, als sie erwartet hat. Aus den Dreißigerjahren vermutlich und etwas düster wegen der dunkelbraunen Backsteine, dafür hat es einen
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