Was soll denn aus ihr werden?
die jungen wie die alten. Was Dori zu unterscheiden schwierig fand, war, welcher von den jungen ein Matthias und welcher ein Jakob war, denn in beiden Familien hieß immer einer Matthias und einer Jakob, nur der jüngste der drei Brüder war ein Elias, das war eine glückliche Abwechselung, so wußte Dori für einmal doch von einem sicher, wie er hieß. Von den Vettern von Ardez war auch geredet worden, man hatte Dorothea angezeigt, der Junge werde noch diese Woche zur Begrüßung herunterkommen. Als Dorothea eben jetzt das Fenster schloß, das zum Pisoc hinüberschaute, sagte sie: »Ein schöner Gang, den wir im Frühling machen müssen, ist nach Ardez hinauf, dort wird es dir gefallen, wir besuchen dann einmal die Vettern.«
»Ich hoffe nur, diese beiden Vettern heißen nicht auch noch Matthias und Jakob«, rief Dori aus, »und wie wir mit denen verwandt sind, weiß ich gar nicht, Mutter, das sollte ich wohl wissen.«
»Ja natürlich«, sagte Dorothea erschrocken; »das mußt du alles wissen, man würde ja in der Verwandtschaft glauben, ich halte sie nicht wert genug, daß ich dich nicht genau unterrichtet habe. Ich habe es auch, glaube ich, schon getan, du hast es nur vergessen. Hör mir jetzt recht zu: der Nonno hatte einen älteren Stiefbruder, der zu seiner Frau nach Ardez gezogen war und zwei Söhne hinterließ, den Samuel und den Niklaus. Samuel hatte ein großes Geschäft in Neapel, und Niklaus stand dort im Militärdienst. Später, als er seinen Abschied erhalten hatte, trat er auch in das Geschäft seines Bruders ein, das so gut ging, daß sie bald alles einem andern überlassen und als ganze Herren zurückkehren konnten. In Ardez sollen sie das alte Haus, woher ihre Mutter stammte, schön neu aufgebaut und ausgerüstet haben. Samuel war mit einem Buben aus Neapel zurückgekommen, seine Frau hatte er dort verloren. Niklaus war nie verheiratet. Vor einigen Jahren ist Samuel gestorben, nun leben sein Sohn und sein Bruder Niklaus zusammen in dem Haus in Ardez. Der Sohn heißt Niklaus Samuel seinem Paten, dem Oheim, und seinem Vater nach. Sie nennen ihn Niki Sami zur Abkürzung. Ich weiß, dort droben in Ardez wird es dir gefallen, wenn wir einmal hinaufgehen, Dori! Ich bin als Kind oft droben gewesen; das Haus vom Vetter hat so schöne hohe Gänge wie ein Kloster, und an allen Fenstern hatte die Base Töpfe mit Nelken stehen, so schön wie ich sie nirgends sonst in meinem Leben gesehen habe.«
Eben ertönte ein so kräftiges Pochen an der Tür, daß Mutter und Tochter zusammenfuhren. Dori ging zu öffnen. Ein fester Bursche stand vor ihr und schaute mit zwei großen verwunderten Augen sie an, und so deutlich, als sprächen es seine Lippen aus, hieß es in seinem erstaunten Blick: das habe ich nicht erwartet.
»Sie sind gewiß nicht am rechten Ort«, sagte jetzt Dori zu dem erstaunten Fremden.
»Freilich bin ich«, gab dieser sehr bestimmt zurück, indemer eintrat und auf Dorothea zuging. »Ihr seid wohl die Base Dorothea, ich komme, Euch zu begrüßen«, er hielt ihr seine Hand hin.
»Und Ihr seid wohl der Vetter von Ardez. Grüß Gott!« gab Dorothea zurück, seine Hand schüttelnd.
»Der bin ich, und wie ich denke, noch jung genug, daß Ihr zu mir du sagen könnt. Und diese hier wird Eure Tochter sein. Schlag ein, Base!« sagte er, seine Hand Dori entgegenstreckend. Sie legte die ihrige hinein. Er drückte sie so zusammen, daß Dori einen kleinen Schrei nicht unterdrücken konnte. »Du drückst mir ja die Finger ab, Vetter«, sagte sie jetzt lachend, als er losließ.
»Das ist der Willkomm«, entgegnete er ruhig. »Wie gefällt es euch bei uns?«
»Mir muß ja die alte Heimat gefallen, das kann nicht anders sein«, sagte Dorothea, »für Dori sind wir etwas spät im Jahr gekommen, sie sieht das Land nicht mehr, wie es im Sommer ist. Aber sie wird den Frühling kommen sehen und das ist ja die schönste Zeit hier, wie überall.«
»Der Pate läßt euch grüßen«, sagte der junge Vetter, indem er sich auf den Stuhl niederließ, den ihm Dori hingestellt hatte.
»Ich danke. Und dich will ich denn nun bei deinem Namen nennen, Niki Sami«, setzte Dorothea hinzu, »ich weiß, du heißest so nach deinem Vater und deinem Paten. Wie geht es dem Vetter Niklaus, ist er immer wohl?«
»Ja, ja, das ist er schon. Das heißt, er hat immer etwas an einem Bein, das ihn am Gehen hindert«, ergänzte Niki Sami, »das haben alle alten Soldaten so, es ist, denk' ich, mehr so eine Erinnerung an die großen Schlachten
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