Was starke Männer schwach macht
Arbeitskräfte abzulehnen, auch wenn sie an Tonys Motiven zweifelte. „Na schön, wenn ihr darauf besteht. Ich habe noch jede Menge Pinsel da.“
Aufgeregt zog Jasmine ihren Vater aus der Tür. Seltsam, wofür Kinder sich so begeistern konnten.
Tony hatte also eine Tochter. An diesen Gedanken würde sie sich erst einmal gewöhnen müssen. Die Kleine musste neun oder zehn Jahre alt sein, was bedeutete, dass Tony wahrscheinlich in den frühen Dreißigern war. Julie hatte ihn eher für Mitte zwanzig gehalten.
Als die beiden ein paar Minuten später in alten Kleidungsstücken zurückkehrten, hatte Julie dem Mädchen schon einen Arbeitsplatz zugeteilt – eine niedrige Mauer, die als Raumteiler diente. Sie reichte dem Mädchen einen breiten Pinsel und eine Kaffeedose, in der sie Farbe angerührt hatte.
„Ich kann das wirklich“, beharrte Jasmine. „Ich pass auch auf, dass ich nicht kleckere.“
„So wie ich sie kenne, wird sie keinen Tropfen verspritzen“, flüsterte Tony Julie zu. „Sie ist der ordentlichste Mensch, den ich kenne.“
Julie gab Tony eine Farbrolle, während sie sich um die Ecken und Kanten kümmerte.
Kurz darauf arbeiteten Vater und Tochter fröhlich vor sich hin. Jasmine war tatsächlich erstaunlich ordentlich. Sie kam zwar nicht schnell voran, aber was sie schaffte, sah makellos aus.
Als Julie mit dem Streichen in Tonys Nähe kam, konnte sie sich nicht länger beherrschen. „Nicht zu fassen, dass du mir nicht von deinem Kind erzählt hast.“
„Es hat sich einfach nicht ergeben“, entschuldigte er sich. „Außerdem dachte ich, dass du und ich … na ja, du weißt schon. Als Singlevater habe ich die Erfahrung gemacht, dass es nicht ratsam ist, sofort mit der Wahrheit herauszuplatzen. Manche Frauen haben etwas gegen Konkurrenz.“
„Das hätte mir nichts ausgemacht“, sagte Julie. „Ich mag Kinder.“
„Wie dem auch sei, ich hätte dir früher oder später von ihr erzählt. Ich bin nämlich total stolz auf sie. Sie ist … sie ist das Beste, was mir je passiert ist. Manchmal kann ich kaum glauben, das zwei so normale Menschen wie ihre Mutter und ich ein so tolles Kind gezeugt haben.“
Tonys Gesichtsausdruck war so liebevoll, dass Julie ihm sofort verzieh. Dass Trey sich vor seiner Verantwortung gedrückt hatte, hieß schließlich noch lange nicht, dass alle Männer genauso waren. „Wohnt sie bei dir?“
„Natalie und ich teilen uns das Sorgerecht. Unser Arrangement ist ziemlich locker, vor allem in den Sommerferien. Aber ich möchte so viel Zeit mir ihr verbringen wie möglich, bevor sie sich in einen mürrischen Teenager verwandelt und ich ihr nicht mehr cool genug bin.“
„Wie alt ist sie denn jetzt?“
Er grinste. „Neun, aber sie ist so altklug wie eine Neunzigjährige. Ich komme kaum noch mit ihr mit.“
Julie merkte, dass diese neue Seite an Tony sie sehr anzog. Davor hatte sie ihn nur für einen Charmeur gehalten, eine Art Weiberheld. Jetzt hatte sie das Gefühl, ihn zum ersten Mal so zu sehen, wie er wirklich war. Und sie musste zugeben, dass es ihr gefiel. Genauso wie der Anblick seiner breiten Schultern unter dem engen alten T-Shirt …
Julie unterdrückte den Impuls, ihn zu berühren. Sie verzehrte sich geradezu nach Körperkontakt mit ihm, auch einem ganz unschuldigen. Aber er signalisierte ihr eindeutig, dass er sie nur als Freundin betrachtete.
Dabei war sie doch selbst diejenige gewesen, die ihm gesagt hatte, dass sie nur Freunde sein konnten. Er verhielt sich genau so, wie sie es von ihm erwartete. Jetzt einen Rückzieher zu machen, wäre ein großer Fehler und eine Dummheit obendrein. Wie man sich bettet, so liegt man, wie ihre Mutter immer zu sagen pflegte. Also musste sie sich eben in das von ihr selbst bereitete Bett legen. Nur leider ohne Tony.
Verdammt, sie vermisste seine zweideutigen Bemerkungen, seine Komplimente und seine bewundernden Blicke.
Wütend über sich selbst schüttelte sie innerlich den Kopf. Sie hatte jetzt doch genau das, was sie wollte, oder? Außerdem hatte sie sowieso keine Zeit für eine Beziehung. Sie musste demnächst einen Tearoom eröffnen und außerdem erst einmal über die geplatzte Hochzeit mit Trey hinwegkommen.
Warum nur fühlte sie sich dann so traurig und leer?
Hoffentlich hatte sie nicht einen schrecklichen Fehler gemacht.
7. KAPITEL
Ein paar Tage später sah Tony wieder bei Julie vorbei, diesmal jedoch ohne Jasmine. „Hey, die Wände sehen echt toll aus.“
„Danke.“ Nachdem er und seine Tochter
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