Was starke Männer schwach macht
anging, das hatte Julie sich geschworen. Ganz egal, was es kostete.
Seufzend riss sie sich vom Fenster los, um den Tag in Angriff zu nehmen. Sie hatte keine Zeit zum Grübeln. Schließlich warteten im Tearoom noch ein paar Wände darauf, gestrichen zu werden. Sie ging ins Badezimmer, um sich das Haar hochzustecken, und machte sich auf den Weg nach unten.
In der Bar angekommen, sah sie sich erst einmal gründlich um. Die Umbauten waren inzwischen abgeschlossen, und sie hatte jemanden aus der Nachbarschaft damit beauftragt, die Zinndecke zu streichen. Die Wände jedoch blieben ihr überlassen.
Sie breitete die Abdeckplane aus, klappte die Leiter auf und öffnete die erste Dose der schönen zartgoldenen Wandfarbe, die sie ausgesucht hatte. Der Farbton würde dem Tearoom eine mediterrane Atmosphäre verleihen, wie sie hoffte.
Julie war noch nicht weit gekommen, als plötzlich jemand gegen die Eingangstür klopfte. Erstaunt kletterte sie von der Leiter, wischte sich die Hände an einem Lappen ab und ging zur Tür, um sie zu öffnen.
Ihr Herz machte einen Satz, als sie sah, wer vor ihr stand: Tony. Was wollte der denn hier? Zu ihrer Überraschung stand ein kleines Mädchen neben ihm.
„Hey, wie geht’s?“, fragte Tony. Er lächelte so unbefangen, als hätten sie nicht erst vor drei Tagen ein ziemlich unangenehmes Gespräch geführt.
„Gut. Und nein, ich habe meinen Plan, einen Tearoom zu eröffnen, immer noch nicht geändert.“ Nur für den Fall, dass er wieder mit ihr darüber diskutieren wollte. „Ich bin gerade dabei, die Wände zu streichen.“
„Das haben wir schon durchs Fenster gesehen“, sagte das kleine Mädchen. „Dürfen wir mal gucken?“
„Na klar. Dann könnt ihr mir gleich sagen, ob euch die Farbe gefällt, obwohl es ohnehin zu spät ist, noch etwas daran zu ändern. Ich habe sechs nicht umtauschbare Dosen von dem Zeug gekauft.“ Sie öffnete die Tür ein Stück weiter, um die beiden reinzulassen, und legte Tony die Hand auf den Arm. „Willst du mich nicht deiner Freundin vorstellen?“
Das Mädchen kicherte.
„Das ist meine Tochter Jasmine.“
„Ach.“ Julie fiel es nicht leicht, diese Information zu verdauen. Okay, Tony hatte also ein Kind. Dann war er anscheinend mal verheiratet gewesen. Na und? Sie hatte nichts gegen Scheidungen. Aber sie konnte ihn sich einfach nicht als Familienvater vorstellen. Bis zu diesem Augenblick war er für sie der typische Junggeselle gewesen, frei und ungebunden.
„Habe ich Jasmine etwa noch nicht erwähnt?“, fragte er.
„Nein, hast du nicht“, antwortete Julie knapp und lächelte das dunkelhaarige Mädchen an. „Hi, ich bin Julie.“
Tonys Tochter war für ihr Alter groß gewachsen, schlank und hatte ein sehr hübsches Gesicht. Um die Augen herum sah sie Tony ähnlich, aber die Stupsnase und der breite Mund stammten vermutlich von ihrer Mutter. Sie trug weite blaue Shorts, ein T-Shirt und glitzernde Flip-Flops.
„Hallo“, sagte Jasmine und streckte höflich die Hand aus. Julie schüttelte sie. „Gehört das Haus wirklich Ihnen?“
„Glaubst du etwa, ich habe mir das nur ausgedacht?“, fragte Tony sie.
„Eigentlich gehört es meiner Mutter“, antwortete Julie. „Aber sie war schon seit Jahren nicht mehr hier.“
Tony blickte sich um. „Willst du den Raum etwa ganz alleine streichen?“
„Hast du eine Ahnung, was Maler für Preise nehmen?“, entgegnete sie. „Ich schaffe das schon. Außerdem kommt Belinda nachher vorbei, um mir zu helfen.“
„Wir können doch auch helfen“, schlug Jasmine vor. „Ich kann das. Ich habe mein Zimmer auch selbst gestrichen. Dunkelrot. Sieht total cool aus.“
„Danke für dein Angebot, aber du hast gerade keine alten Sachen an“, wandte Julie ein. „Wenn du schon mal gestrichen hast, weißt du ja, wie dreckig man sich dabei macht.“
„Wir könnten doch nach Hause zurückgehen und uns umziehen“, bot Tony ihr an.
„Das ist wirklich lieb von dir, aber … Willst du mir denn wirklich helfen? Ich meine, je schneller ich mit dem Renovieren fertig bin, desto schneller kann ich den Tearoom eröffnen. Das kann doch unmöglich in deinem Interesse liegen?“
Tony grinste. „Wieso denn nicht? Was spricht gegen goldene Wände in Brady’s Tavern ? Also, was ist? Sollen wir dir nun helfen, oder soll ich lieber zu Hause Unkraut jäten?“
„Oh nein!“, protestierte Jasmine. „Ich hasse Unkrautjäten. Bitte retten Sie mich, Julie!“
Julie konnte es sich nicht leisten, kostenlose
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