Was uns glücklich macht - Roman
fundamentale Frage gibt es keine Antwort: Was ist, wenn das Zahnweh niemals aufhört?
Ich weiß, was Sie denken, und Sie haben recht. Phillip ist kein Zahnweh. Anfangs vielleicht schon, aber wenn wir Zahnweh haben, gehen wir zum Zahnarzt und lassen die Schmerzen behandeln. Ich schiebe den Besuch nun schon seit zwanzig Jahren hinaus. Ich könnte jederzeit gehen, ich könnte unsere gemeinsame Zeit einfach vergessen, sie hinter mir lassen, irgendwo anders für irgendwen anders arbeiten und Phillip nie wiedersehen, und doch tue ich das nicht, und daran bin nur ich allein schuld. Daher denke ich, es lässt sich vielleicht weniger mit Zahnweh vergleichen als mit einem scharfen Pfahl, den man sich ins Zahnfleisch bohrt und zwanzig Jahre lang dort stecken lässt, was ziemlich dumm ist, das weiß ich, und trotzdem halte ich an meinem Pfahl fest. Und jedes Mal, wenn ich die Schmerzen spüre, wiederhole ich dieselben Worte:
Zur Hölle mit dem Scheißkerl.
Im Auto zeigte sich Maurice wie üblich jovial. »Kommen Sie, Chefin, Sie müssen mir erzählen, was letzten Abend passiert ist.«
»Haben Sie nicht gesehen, wie ich auf dem Weg zum Auto gehumpelt bin? Sollte das nicht ein kleiner Hinweis sein? Ich kann bestimmt die ganze Woche nicht normal laufen.«
»Chefin, das kaufe ich Ihnen nicht ab, und mir gefällt nicht, wie Sie darüber Witze reißen.«
»Na, das Humpeln täusche ich aber nicht vor«, sagte ich. »Mein Rücken bringt mich um.« Das stimmt. Das geht schon seit zwei Monaten so, und es wird immer schlimmer. Auch dies ein Hinweis aufs Älterwerden, als wäre es nicht schon furchtbar genug, mit irgendeinem Großvater verkuppelt zu werden.
»Katherine, ich weiß, dass ich kein Recht habe, etwas zu verlangen, nachdem ich für Sie arbeite und nicht andersrum, aber das war mir früher schon gleichgültig und ist es mir jetzt wieder: Ich will wissen, was letzten Abend passiert ist.«
»Wenn Sie es unbedingt wissen müssen, Maurice, es war eine ziemliche Enttäuschung, und ich bin einsam und traurig nach Hause gefahren.«
Das ließ ihn innehalten.
»Ach, Chefin, das tut mir leid.«
»Vergessen Sie es«, sagte ich. »Es ist vorbei. Ich habe große Neuigkeiten.«
»Gute Neuigkeiten?«
»Ich glaube schon. Ich mache Urlaub.«
Ich beobachtete ihn noch im Rückspiegel. Seine verlegene Miene machte einem Ausdruck der Verwirrung Platz, was mir nicht unlieb war.
»Wirklich?«, sagte er. »Ich kann mich nicht erinnern, dass Sie je in Urlaub gefahren wären.«
»Ich auch nicht, und das kann nicht gut sein«, meinte ich. »Ich reise diesen Nachmittag ab.«
»Wohin fahren Sie, Chefin?«
»Nach Westen, mein Freund«, sagte ich. »Nach Colorado.«
Ich kann Phillips Assistentin nicht ausstehen. Sie heißt Danielle LaPierre, was, wie ich gern sage, die französische Übersetzung von »die Peter« ist. Und wie ich auch gern sage: Der Name passt zu ihr, denn wenn eine Frau einen Schwanz nötig hat, dann ist es Danielle. Jedes Mal, wenn ich auf ein Gespräch mit Phillip warte, macht sie sich an mich heran und kaut mir ein Ohr ab, immer über dasselbe Thema.
Männer.
Danielle ist geschieden, in den Vierzigern, ganz attraktiv, kinderlos, und sie ist besessen davon, einen Mann zu finden, ehe es, wie sie es so charmant formuliert, »zu spät ist«. Und die Art, in der sie mit mir redet, vermittelt immer den entschiedenen Eindruck, dass sie uns als Leidensgefährtinnen sieht. Das ist schon ärgerlich genug, aber nicht das, was mich wirklich an ihr stört.
Was mich wirklich stört, das ist, dass ich nicht weiß, ob Danielle von meiner gemeinsamen Vergangenheit mit Phillip weiß. Ich vermute schon, wenn auch nur, weil Danielle zu den Frauen gehört, die alles wissen, von dem man hofft, sie wüssten es nicht. Und wenn sie es weiß, dann gibt es keinerlei Zweifel daran, dass sie es mir dauernd subtil unter die Nase reibt. Sie liebt es, mir von den extravaganten Reisen zu erzählen, die Phillip mit seiner Familie unternimmt, oder von den süßen kleinen Geschenken, mit denen er seine Frau »einfach so« überrascht. Wenn sie von unserer Vergangenheit weiß, würden Sie mir hoffentlich darin zustimmen, dass sie ein eiskaltes Miststück ist. Doch weil ich mir nicht sicher bin, ob sie es weiß, und mir vermutlich nie sicher sein kann, bin ich immer im Ungewissen, und das macht die Zeit, die ich bei ihr warten muss, beinahe unerträglich.
In letzter Zeit habe ich mich damit amüsiert, Liebhaber zu erfinden, wenn ich mit Danielle sprach,
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