Was will man mehr (German Edition)
einmal zu den Themen Liebe und Sex ausgefragt. Sinngemäß habe ich ihr damals zu erklären versucht, dass man mit Überraschungen rechnen sollte, vorausgesetzt, man sei bereit dafür, sich auch überraschen zu lassen. Scheint so, als wäre ihr das nun passiert. Und scheint auch so, als wären meine Antworten dann doch nicht völlig für die Katz gewesen. Das freut mich.
Lisa und ich schweigen eine Weile, nippen an unseren Tassen und hängen unseren Gedanken nach.
«Hör mal, wenn ich irgendetwas für dich tun kann …», beginne ich.
«Ich weiß», unterbricht Lisa. «Das ist wirklich nett von dir. Aber mach dir keine Sorgen, ich komme schon zurecht.» Sie sieht mich an und stutzt. «Aber wo wir gerade davon reden: Du hast am Telefon gesagt, du bräuchtest meine Hilfe. Bist du nicht deshalb hier?»
«Auch», erwidere ich. «Ich hab ein paar juristische Fragen. Aber das muss nicht unbedingt heute sein.»
«Worum geht es denn?»
«Um eine Firmeninsolvenz.»
«Nicht mein Fachgebiet», erwidert Lisa. «Aber schieß los!»
«Wie gesagt, es geht auch ein anderes Mal …»
«Nun mach schon», unterbricht Lisa. «Ich bin nicht krank oder gebrechlich. Man hat mich nur verlassen. Das ist alles.»
Sie lächelt. Eine Mischung aus Wut und Tapferkeit spiegelt sich in ihrem Gesicht. Das sieht ziemlich attraktiv aus. Ich krame einen vorbereiteten Zettel aus der Tasche, der auf beiden Seiten eng beschrieben ist.
«Oh. Ich sehe, das könnte länger dauern», sagt Lisa. «Dann mach ich uns aber zuerst noch einen Tee.»
Eine Stunde später haben sich die meisten meiner Fragen erledigt, allerdings sind im Gespräch mit Lisa auch neue Fragen aufgetaucht.
Gedankenverloren spaziere ich durch die Straßen und erblicke in einem Schaufenster einen Hund, der meinem Hund zum Verwechseln ähnlich sieht. In der nächsten Sekunde wird mir klar, dass es sich tatsächlich um Fred handelt. Ich bin, ohne es zu merken, bei Kostas’ Zeitschriftenladen angekommen.
«Wie läuft’s?», will ich wissen.
Kostas thront wie üblich hinter seinem Tresen, umringt von Süßigkeiten, Tabakwaren, Ansichtskarten und Krimskrams.
«Ganz gut», erwidert er. «Im Vergleich zu dir sind die meisten Leute anständig und zahlen ihre Schulden. Und seitdem du weg bist, werde ich auch nur noch ganz selten um Kaffee angeschnorrt.»
«Gute Idee», sage ich. «Bitte mit viel Milch und Zucker.»
Kostas erhebt sich leise seufzend und schenkt mir Kaffee ein.
«Ich kann übrigens ein paar Tage auf dem Großmarkt arbeiten. Nächste Woche kriegst du also deine fünfzig Mäuse zurück.»
Er stellt mir die Tasse hin. «Ich werde dem heiligen Antonius erst dann dafür danken, wenn die Kohle hier auf dem Tisch liegt. Okay?»
«Erstens musst du keinem Heiligen danken, sondern mir. Und zweitens bist du der unentspannteste Südländer, der mir je über den Weg gelaufen ist», sage ich und nippe an meinem Kaffee. Wie üblich ist er zu dünn.
«Ich bin kein Südländer», erwidert Kostas. «Ich bin hier geboren».
«Gut, dann bist du eben der unentspannteste Deutsche mit griechischen Wurzeln, der mir je über den Weg gelaufen ist», korrigiere ich.
«Jetzt hörst du dich langsam wie meine Frau an», sagt Kostas.
Ein leises Hundegähnen ist zu hören. Kostas und ich sehen fast gleichzeitig zum Schaufenster, wo Fred es sich bequem gemacht hat. Ob ihn die angenehmen Temperaturen und das süße Nichtstun oder aber das Gespräch ermüdet haben, bleibt offen. Fest steht, dass Fred mich offenbar weiterhin mit Missachtung strafen will. Bislang hat er jedenfalls keine Anstalten gemacht, mich zu begrüßen. Man könnte auch denken, er würde mich überhaupt nicht kennen.
«Wenn du willst, kannst du ihn übrigens auch noch hierlassen», sagt Kostas. «Er ist ein guter Wachhund. Das heißt, er bewacht meinen Laden zwar nicht, aber sein Aussehen flößt jedem Respekt ein. Wenn ich abends mit ihm noch eine Runde um den Block drehe, dann kann ich sicher sein, dass mich niemand blöd von der Seite anquatscht.»
Ich muss lächeln. Fred ist tatsächlich unter den ohnehin nicht hübsch anzusehenden Kampfhunden eines der am wenigsten ansehnlichen Exemplare. Eigentlich ist er kein reinrassiger Kampfhund, sondern eine brisante Mischung aus Jagdhund und Bullterrier. Im Grunde sieht er aus wie ein Werwolf, der gerade dabei ist, sich in einen Kampfhund zu verwandeln. Dass Fred nach einer Prügelei mit zwei Rottweilern nur noch im Besitz von eineinhalb Ohren ist, unterstreicht seine
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