Was will man mehr (German Edition)
langsam, um mich ein wenig auf die zu erwartende Katastrophenmeldung einstellen zu können. «Dann sag mir doch mal, was du rausgefunden hast.»
«Die Konten sind alle im Plus. Insgesamt dürften da so um die dreißigtausend Euro rumliegen. Das ist die einzige gute Nachricht. Es sind nämlich vor gut einem Monat Rücklagen in Höhe von einer knappen Million Euro aufgelöst worden. Obwohl das Geld bereits verplant war.»
«Wofür?», will ich wissen.
«Wofür das Konto abgeräumt worden ist oder wofür das Geld gedacht war?», fragt Günther.
«Ich tippe, bekommen hat es eine belgische Firma», antworte ich.
«Stimmt», unterbricht Günther. «Offenbar ging es dabei um eine Vertragsauflösung.»
«Ja. Ich weiß. Erzähl ich euch alles heute Abend. Sag mir lieber, wofür die Rücklagen gedacht waren.»
«Wird dir aber gar nicht gefallen, Paul.»
«Mach hin, Günther.»
«Die Kohle war fürs Finanzamt bestimmt. Beim Verwendungszweck ist ein Aktenzeichen angegeben. Und ein Datum, das fast zehn Jahre zurückliegt. Muss also eine uralte Sache sein. Und da stand auch noch: Vergleich .»
Mir schwant, worum es sich handelt. Seit Jahren prozessiert der Verlag wegen einer millionenschweren Umsatzsteuernachforderung des Finanzamtes. Im Rahmen der Liquidation muss diese Sache zwangsläufig zur Sprache gekommen sein. Offenbar hat Timothy die Vergleichsverhandlungen mit dem Finanzamt so lange wie möglich rausgezögert, weil die Million seine eiserne Reserve war. Das würde aber auch bedeuten, dass der Verlag bereits insolvent ist.
«Vor gut einem Monat ist das Konto abgeräumt worden, sagst du?»
«Ja. Aber man kann darüber streiten, ob die Voraussetzungen für eine Insolvenz nicht schon früher gegeben waren», konstatiert Günther.
«Wieso kennst du dich eigentlich plötzlich so gut mit komplizierten Wirtschaftsfragen aus?»
«Ich hab auf Mallorca die Internetseite eines Gastronomenverbandes gebaut. Dabei lernt man eine ganze Menge. Was ich aber eigentlich sagen will, ist, dass Schamski sich in jedem Fall der Insolvenzverschleppung schuldig gemacht hat. Außerdem hat offiziell er die Vergleichssumme nach Belgien überweisen lassen. Steuerhinterziehung kommt also noch hinzu.»
«Na toll!», maule ich. «Und ich hab dem Arsch, der uns das alles eingebrockt hat, auch noch indirekt bei der Flucht geholfen.»
«Genau das hab ich befürchtet», erwidert Günther. «Bin gespannt, wie Schamski das verdauen wird.»
«Das ist ’n Witz», sagt Schamski, als ich ihm die Ereignisse der letzten zwei Tage geschildert habe. Wir sitzen bei Bronko, es gibt Wein und Botschaftshäppchen, aber gerade hat keiner Appetit.
Ich schüttele den Kopf. «Nein. Das ist leider kein Witz. Tut mir wirklich sehr leid, Guido. Ich verspreche hoch und heilig, dass ich dir auf jede erdenkliche Art helfe.»
Betretenes Schweigen. Bronko gießt Wein nach, obwohl die Gläser noch fast voll sind.
Schamski nimmt einen Schluck. «Paul, ich muss mir sehr genau überlegen, ob ich deine Unterstützung noch will. Bevor du mir geholfen hast, stand ich mit einem Bein im Knast. Jetzt stehe ich mit beiden drin.»
Ich nehme nun ebenfalls einen Schluck Wein. «Guido, ich könnte es gut verstehen, wenn du ab jetzt auf meine Hilfe verzichten würdest. Wäre mir aber lieber, ich könnte die Sache wieder geradebiegen.»
Schamski sieht mich an, und die Enttäuschung in seinen Augen trifft mich ins Mark. «Warum hast das denn nur gemacht, Paul?» Er wirkt ein wenig verzweifelt ob meiner Blödheit. «Ist doch irgendwie logisch, dass eine Frau nicht einfach so zusieht, wie ihr Mann, obendrein der Vater ihres Kindes, in den Knast wandert. Außerdem haben die beiden jetzt genug Geld, um irgendwo ganz neu anzufangen. Iris wäre sonst vielleicht eine mittellose, alleinerziehende Mutter geworden. Was hast du also erwartet, wie sie sich entscheiden würde?»
Ich nicke. «Stimmt alles. Ich begreife trotzdem immer noch nicht, warum sie das getan hat. Immerhin gehört das Geld der Familie. Außerdem dachte ich, ich würde sie besser kennen.»
«Warum?», fragt Schamski. «Weil du zweimal mit ihr im Bett warst?»
Das ist ein Tiefschlag. Schamski weiß das auch. Aber momentan bin ich moralisch nicht in der Position, ihm Vorwürfe zu machen. Bronko und Günther sehen das wohl ähnlich, denn beide schweigen.
«Ich habe diese Frau geliebt», verteidige ich mich. «Das hat was mit Seelenverwandtschaft zu tun. Deshalb war ich auch überzeugt davon, dass sie mit Timothys Untaten
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