Wasser-Speier
offenbaren, während sie sich darauf konzentriert hat, dich zu verführen.«
»Aber dann hätte sie doch wissen müssen, daß ich mich nicht d a für interessiere!« protestierte Gary.
»Sie wußte aber auch, daß du nur wenig Erfahrung mit der menschlichen Gestalt hast«, warf Desi ein. »Und diese Unwisse n heit hat sie schon bald zu ihren Gunsten ausgenutzt. Hätten deine Freunde sich nicht eingemischt, besäße sie inzwischen deine Se e le.«
Da hatte Iris recht. Gary war am Boden zerstört. Die Illusionen hatten sie also die ganze Zeit an der Nase herumgeführt!
»Warum wart ihr Illusionen dann so hilfsbereit?« fragte Hiatus. »Warum habt ihr nicht einfach gleich von Anfang an versucht, uns zu verführen?« Er warf einen Blick zu Überraschung hinüber, b e sorgt wegen des heiklen Themas. Doch das Kind war gelangweilt in Iris’ Armen eingeschlafen.
»Das haben wir ja auch versucht«, erklärte Desi. »Aber ihr wart einfach zu sehr mit eurem Auftrag beschäftigt und damit, herau s zufinden, was nun eigentlich los war. Deshalb mußten wir euch erst ein wenig einlullen, um die passende Gelegenheit abzuwarten. Wir hätten es ja auch fast geschafft.«
Wieder richtig. »Aber jetzt werdet ihr es nicht mehr schaffen«, wandte Gary ein. »Weil wir nämlich wissen, was ihr wollt, und weil wir euch unsere Seelen nicht geben werden. Ihr könnt euch also genausogut verziehen.«
»Nein. Ihr seid interessante Leute. Die ersten, die seit langer Zeit nach Scharnier gekommen sind. Wir werden weiterhin mit euch in Verbindung bleiben.«
»Mal angenommen, wir möchten das nicht. Was dann?« fragte Hiatus.
»Wir sind Illusionen. Ihr könnt uns nicht daran hindern.«
»Irgend etwas ist daran faul«, meinte Iris. »Früher habt ihr Illus i onen ja Gründe gehabt, mit uns in Verbindung zu treten, aber jetzt habt ihr keinen Grund dafür. Ihr wißt, daß ihr unsere Seelen nicht bekommen werdet. Euch ist es egal, ob wir interessant oder lan g weilig sind. Also müßt ihr noch einen Grund haben, euch in unserer Nähe aufzuhalten. Was für ein Grund ist das?«
Achselzuckend antwortete Desi: »Darauf weiß ich keine An t wort.«
»Was immer diese Illusionen erschafft, interessiert sich offe n sichtlich für uns«, folgerte Gary. »Deshalb will es uns auch mit ihrer Hilfe ausspionieren. Was ich nur nicht verstehe, ist der Grund für dieses Interesse.«
»Vielleicht kommen wir noch dahinter«, bemerkte Iris. »Das W e sen – oder was immer es sein mag – existiert offensichtlich schon seit langem, weil es Scharnier noch zu jener Zeit kannte, als die Stadt bewohnt war. Es weiß um die Schnittstelle. Was aber könnte sich hier dreitausend Jahre aufhalten, ohne daß ihm der Wahnsinn zusetzte, und sich trotzdem dafür interessieren, was eine kleine Gruppe von Menschen gerade hier anstellt?«
»Ich wüßte da etwas«, meinte Hiatus.
»Nein!« fiel Desi ihm ins Wort.
»Du hast meine Gedanken gelesen«, fuhr Hiatus fort. »Und du möchtest nicht, daß ich meinen Verdacht ausspreche. Er muß also stimmen.«
»Was denn?« fragte Iris. Sie wirkte leicht pikiert.
»Das Ding, das diese Illusionen hervorruft, muß der Philter selbst sein.«
»Der Philter!« wiederholten Iris und Gary erstaunt im Chor.
»Nein!« rief Desi und verschwand.
»Der Philter«, wiederholte Hiatus grimmig. »Erst hat er verhi n dert, in die Schnittstelle eingebaut zu werden, und jetzt will er nicht gefunden werden. Denn wenn wir ihn erst einmal gefunden haben, können wir die Schnittstelle mit dem eingebauten Philter rekompilieren, die Wasserspeier befreien und den Wahnsinn in Schach halten.«
»Aber der Philter ist doch bloß ein Gegenstand«, wandte Gary ein.
»Nein«, widersprach Mentia. »Hiatus hat recht. Jetzt sehe ich es auch. Der Philter ist ein Dämon.«
»Ein Dämon!« Wieder konnte Gary nur staunen. »Aber…«
»Was übrigens auch noch etwas anderes erklärt, das mir zu scha f fen machte«, fuhr die Dämonin fort. »Nämlich die Fähigkeit der Illusionen, teilweise feststofflich zu werden. Sie haben zwar b e hauptet, daß es an der Intensität der Magie läge, aber sie haben es ja auch hier im Palast fertiggebracht, wo ein ganz normaler Magi e pegel herrscht. Illusionen können sich nicht verfestigen, Dämonen dagegen schon.« Sie ballte eine riesige Faust und schlug damit fest gegen die Wand.
»Ein Dämon«, wiederholte Iris. »Das klingt durchaus einleuc h tend. Wir haben es in Wirklichkeit nicht mit zwei belebten Illusi o nen zu tun
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