Wasser-Speier
allergrößten Not die Augenlider fest zusammenpreßte, verhinderte, daß ihm die Augäpfel versteinerten. Was natürlich genau die Absicht der Illus i on war. Körperlich konnte sie ihm kaum etwas anhaben; sie wollte es vielleicht auch gar nicht, solange noch Hoffnung bestand, Gary die Seele zu rauben; doch konnte sie ihm immerhin bedrohlich genug werden, um ihn in den Wahnsinn zu treiben. Vielleicht glaubte sie ja auch, daß sie leichter an seine Seele herankäme, wenn sie ihn erst einmal um den Verstand gebracht hatte. Und Gary war sich nicht so sicher, ob sie sich tatsächlich darin täuschte.
Und doch wußte er auch, daß sie in Wirklichkeit gar nicht exi s tierte. Sie war nur eine von einem zynischen Dämon erschaffene Animation. Beine und Höschen bedeuteten ihr nichts; die wurden lediglich zur Schau gestellt, um ihm das Leben schwerzumachen. Weshalb nahm er dann alles so ernst? Die Lösung lautete, daß er es doch besser nicht tun sollte! Tatsächlich hatte sie ihm ja gar nichts Kritisches gezeigt – und was immer sie besitzen mochte, war sowieso nicht real. Schließlich hatte er sie ja auch schon spli t ternackt auf seinem Bett gesehen. Das war natürlich eine gewicht i ge Einschränkung; denn da hatte sie ja keine Höschen angehabt; deshalb war sein Gehirn auch nicht durchgedreht. Wahrscheinlich hatte sie auch jetzt keine an; denn es war ja sowieso alles nur ein Bluff. Doch wenn man dem Glauben schenkte, was Mentia ihm über solche Dinge erzählt hatte – und was er selbst inzwischen darüber wußte –, könnte ein solcher Anblick ihm tatsächlich noch den Verstand rauben.
Er spürte, wie der Inselabhang sich näherte. Das Wasser wurde seichter; er hatte es geschafft. Also stellte er die Füße auf den B o den und schlug die Augen auf, bereit, aus dem Teich zu waten.
Da stand Hanna – nur in hellblaue Höschen gekleidet!
Gary kippte benommen rücklings ins Wasser. Auf einen solchen Frontalangriff war er ganz und gar nicht vorbereitet. Seine Augen waren nicht in der Lage, zwischen Illusion und Wirklichkeit zu unterscheiden.
Erneut wasserspuckend, wurde Gary klar, daß Hanna nun ta t sächlich das Schlimmste erreicht hatte, zumindest aber das Zwei t schlimmste. Sie hatte versucht, ihn zu ertränken, doch das war gescheitert. Mühsam kroch er aus dem Teich und hielt den Blick dabei zu Boden gerichtet.
Als er sich schließlich auf der Insel aufrichtete und umblickte, war Hanna verschwunden. Er hatte sie geschlagen! Er wußte, daß er in Zukunft besser damit zurechtkommen würde, sollte sie ihm jemals noch einmal ihre Höschen zeigen, nun, da er begriffen ha t te, daß so etwas durchaus möglich war. Und sie wußte es auch. Jeder weitere Schock würde ihn für den Anblick nur noch a b stumpfen. Schließlich war er ja auch kein richtiger Menschenmann und daher vermutlich weniger anfällig als beispielsweise Hiatus.
Er begab sich ins Gebäude und spürte, wie sich die Magie um ihn herum verdichtete. Er hoffte, daß er Gayle rasch dazu überr e den konnte, sich ihm anzuschließen. Natürlich hatte er den Vo r schlag, sie deswegen anzugehen, nicht nur gemacht, um eine dritte Mannschaft zusammenzubekommen, sondern weil der Gedanke ihm behagte, mit ihr Zusammensein zu können. Nur zu schade, daß er sich nicht in seiner natürlichen Gestalt befand. Andererseits mußte er einräumen, daß diese menschliche Form sich bisher als durchaus brauchbar erwiesen hatte, trotz des weichen, verwundb a ren Fleisches, des Hungers und der Angreifbarkeit durch den A n blick von Höschen.
Da erblickte er die Wasserspeierin. Was für eine wunderschöne Kreatur sie doch war, von ihrem grotesk verzerrten Antlitz bis zu den Reptilienflügeln!
»Hallo, Gayle Wasserspeier«, sagte Gary, plötzlich schüchtern geworden.
Sie schloß den Mund und schnitt damit den Wasserstrahl ab. Dann wandte sie ihm den Kopf zu. »Ach, hallo Gary! Das ist ja schön, dich wiederzusehen, selbst in…« Sie brach ab.
»Schon in Ordnung«, meinte er. »Die anderen wissen schon, daß ich ein Wasserspeier bin, also brauche ich es nicht mehr zu verbe r gen. Ich wünschte nur, ich hätte meinen natürlichen Körper z u rück.«
»Das wünschte ich mir auch«, meinte sie. »Was führt dich zu mir, Gary?«
»Ich… wir suchen den Philter, und da habe ich mich gefragt, ob du… ob du vielleicht Lust hättest… äh…«
Gayle schüttelte traurig den Kopf. »Ich weiß nicht, wo der Phi l ter ist, Gary.«
»… ob du Lust hättest, mir bei der Suche zu
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