Wassergeld
drückt ständig unvorstellbare Mengen Kies vor sich her. Nach spätestens zwei bis drei Tagen ist die Kiste versandet. Dann finden Sie überhaupt nichts mehr. Wir haben mal einen Pkw bei Speyer gesucht, der ins Wasser gefahren wurde. Den haben wir bis heute nicht finden können, obwohl die Stelle, wo er unterging, genauestens bekannt ist. Ich möchte Ihnen keine Angst wegen der 50 Millionen machen, die Kiste liegt erst ein paar Stunden im Wasser. Trotz allem wird es kein Kinderspiel werden.«
Inzwischen fuhren wir an dem beeindruckenden Mannheimer Großkraftwerk vorbei. Gegenüber auf der pfälzischen Seite sahen wir Dächer und den Kirchturm von Altrip.
Strommeier zeigte auf die badische Seite. »Dort mündet das Becken 1 des Mannheimer Hafens. Und wenig weiter das Becken 2. Zwischen diesen Abschnitten liegt die Kiste, wir sind gleich am Ziel. Die Schifffahrt wurde für die nächsten drei Stunden gestoppt, also wundern Sie sich nicht, wenn keine Schiffe vorbeikommen.«
Ein Bergungsschiff mit einem alten, verrosteten Heckkran lag bereit. Unser Bootsführer fuhr Backbord an das Bergungsschiff und ein weiterer Beamter vertäute die beiden zu einer Einheit.
Herr Strommeier sprang mit einem beherzten Satz auf das andere Schiff. Es war nur ein guter Meter und die Höhendifferenz fast unmerklich, doch ich zögerte, ihm nachzuspringen. Durch die Wellenbewegung erschien mir der kleine Sprung alles andere als kinderleicht. Doch was sollte ich machen? Einfach stehen bleiben und abwarten? Das ging nicht, der Chef der Wasserschutzpolizei gab mir im gleichen Augenblick durch ein Winken zu verstehen, dass ich ihm folgen sollte. Gerhard würde sich totlachen, wenn er mich jetzt erleben würde, sogar mein Sohn Paul würde es amüsant finden.
»Na, was haben Sie, Herr Palzki?«, riss mich Herr Strommeier aus meinen Gedanken. »Sagen Sie bloß, Sie werden flusskrank. Das bisschen Schaukeln ist doch viel harmloser als jeder Hubschrauberflug. Kommen Sie, geben Sie mir die Hand.«
Dankbar schlug ich ein. Auf der anderen Seite angekommen, stellte er mich Markus Drexler vor. Er war der Geschäftsführer des Bergungsunternehmens, das bereits in der Vergangenheit öfter mit der Wasserschutzpolizei zusammengearbeitet hatte. Dieser Mann, Typ Reinhold Messner mit Bierbauch und den buschigsten Nasenhaaren, die ich je gesehen hatte, schaute verschämt zur Seite. Ich wusste, er war kurz davor, wegen meiner Kapriolen laut herauszulachen. Endlich sah er mich mit seinem knallroten Kopf an. Wir würden nie Freunde werden.
»Sie sind also der verantwortliche Beamte?«, brachte er mühsam gequetscht hervor, immer noch um ein Nichtlachen bemüht. Am liebsten hätte ich ihn ins Wasser gestoßen.
»Die Taucher kommen gleich aus der Kajüte und dann geht’s los. Der erste Tauchgang dient zur Orientierung, im zweiten wird dann systematisch die Fahrrinne abgesucht.«
Jetzt konnte ich endlich meine Frage loswerden, die mir seit gestern auf der Zunge lag. »Wir ankern im Moment nur wenige Meter vom Mannheimer Ufer entfernt, die Fahrrinne ist doch bestimmt in der Mitte des Rheins. Meine Vermutung ist, dass die Kiste überhaupt nicht in der Fahrrinne liegt. Im Hubschrauber hab ich’s auch deutlich gesehen, die Kiste haben wir nicht in der Mitte des Flusses abgelassen, sondern so, wie wir hier ankern, fast auf badischer Seite.«
Jetzt grölte der Reinhold-Messner-Verschnitt lauthals heraus. Er hatte ein Wahnsinnsglück, dass er mich in einem demokratischen Land kennengelernt hatte.
»Sagen Sie es ihm«, bat er den Chef der Wasserschutzpolizei. »Klären Sie die Landratte auf.«
Herr Strommeier war von einem anderen Schlag und um ein Vielfaches sympathischer. »Sie dürfen den Rhein nicht mit einer Autobahn verwechseln, Herr Palzki«, begann er seine Aufklärung. »Die Fahrrinne ist ein Bereich, in dem für die Schifffahrt eine bestimmte Wassertiefe vorgehalten wird. Und diese Rinne liegt nicht immer in der Mitte. Gerade in einer Kurve, so wie sie der Rhein hier beschreibt, wäre eine mittige Fahrrinne unpraktisch. Sehen Sie, Altrip liegt im engen Teil der Kurve, auf der Mannheimer Seite verläuft der weite Teil der Kurve. Das Wasser hat folglich an der Außenkurve einen viel weiteren Weg zurückzulegen als an der Innenseite. Können Sie mir folgen?«
So hatte ich das noch nie betrachtet. Der gute Mann hatte recht. Vom Physikunterricht ist bei mir aber noch mehr hängen geblieben. »Das würde bedeuten, dass das Wasser in der Außenkurve schneller
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