Wassermans Roboter
Blick aus roten Kristallen, und dahinter konnte ich ein Glühen erkennen. Seine Haut nahm einen immer helleren Schein an, sah immer mehr wie poliertes Silber aus, während ich ihn betrachtete. Diesmal verursachte er die Verwandlung selbst. »Du hast ebenfalls deine Schwäche«, sagte er und deutete auf meine Hand.
Wo sie den Griff der Kaffeetasse umfaßte, hatte sie sich schwarz verfärbt und zeigte Flecken der Verwesung. Ich konnte die Fäulnis riechen. Langsam löste sich das Fleisch in Flocken ab, und darunter sah ich den blutigen Knochen, der zu fahlem Weiß verblaßte. Der Tod kroch an meinem nackten Arm hinauf, unerbittlich. Ich nehme an, das sollte mich mit Entsetzen erfüllen. Es erfüllte mich jedoch nur mit Ekel.
»Nein«, sagte ich. Mein Arm war unversehrt und gesund. »Nein«, wiederholte ich, und jetzt bestand ich aus Metall, silbern glänzend und unvergänglich, mit Augen wie Opale, und Glasblumen waren in mein Haar aus Platin geflochten. Ich sah mein strahlendes Spiegelbild in dem polierten Schwarz seines Brustkorbs: Ich war schön. Vielleicht konnte auch er sich sehen, widergespiegelt in meinem Chrom, denn genau in diesem Moment wandte er den Kopf ab.
Er vermittelte einen Eindruck der Stärke, aber auf Croan’dhenni, in meiner Obsidianburg, im Haus des Schmerzes und der Wiedergeburt, wo das Seelenspiel gespielt wird, sind die Dinge selten so, wie sie scheinen.
»Cyborg«, sagte ich zu ihm. »Du bist verloren.«
»Die anderen Spieler …«, begann er.
»Nein.« Ich deutete auf den Geist. »Er wird immer zwischen dir und jedem Opfer stehen, welches du dir auch aussuchen magst. Dein Geist. Deine Schuld. Er wird es nicht zulassen. Du wirst es nicht zulassen.«
Der Cyborg konnte mir nicht in die Augen sehen. »Ja«, sagte er mit einer Stimme, die vom Metall stark verfremdet und von der Verzweiflung zerfressen klang.
»Du wirst ewig leben«, sagte ich.
»Nein. Ich werde ewig weitermachen. Das ist etwas anderes, Weisheit. Ich kann die exakte Temperatur jedes Gegenstandes in meiner Umgebung registrieren. Ich kann infrarote und ultraviolette Strahlen sehen, kann meine Sensoren so empfindlich einstellen, daß sie jede Pore deiner Haut zählen können, aber ich bin blind für das, was wahrscheinlich deine Schönheit ausmacht. Ich sehne mich nach dem Leben, nach wirklichem Leben, in dem die Saat des Todes unerbittlich aufgeht und das dadurch eine Bedeutung bekommt.«
»Gut«, sagte ich zufrieden.
Endlich sah er mich an. Gefangen in dem glänzenden Metallgesicht waren zwei blasse, verlorene menschliche Augen. »Gut?«
»Für mich haben die Dinge die Bedeutung, die ich ihnen gebe, Cyborg, und das Leben ist der Feind des Todes, nicht seine Mutter. Herzlichen Glückwunsch. Du hast gewonnen. Und ich auch.« Ich erhob mich und streckte die Arme über den Tisch. Ich senkte eine Hand in den kalten schwarzen Brustkorb und riß ihm das Kristallherz aus der Brust. Ich hielt es hoch und es strahlte, immer leuchtender, seine purpurnen Strahlen tanzten glitzernd auf den kalten, dunklen Hügeln meiner Seele.
Ich öffnete die Augen.
Nein, falsch, ich aktivierte meine Sensoren, und meine Umgebung im Raum der Verwandlung erschien klar und scharf vor mir, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Mein Obsidianmosaik, Schwarz in Schwarz, hatte jetzt hundert verschiedene Tonabstufungen, keine glich der anderen. Das Muster war klar und deutlich. Ich saß in einer Vertiefung auf dem Rand des Beckens; in der Mittelschale auf der Säule bewegte sich die Kindfrau und blinzelte mit großen violetten Augen. Die Tür öffnete sich, und sie kamen zu ihr: Rannar voller Besorgnis, Khar Dorian zurückhaltend, er versuchte seine Neugier im Zaum zu halten, Braje kichernd und mit ein paar bissigen Bemerkungen.
»Nein«, fuhr ich sie an. Meine Stimme klang zu tief, zu männlich. Ich stellte sie anders ein. »Nein, hier«, sagte ich und hörte mich jetzt mehr nach mir selbst an.
Ihre starren Blicke waren wie Peitschenhiebe.
Im Seelenspiel gibt es Gewinner und Verlierer.
Die Störung durch den Cyborg hatte vielleicht eine gewisse Auswirkung. Oder auch nicht. Vielleicht wäre das Spiel ohne ihn mit den gleichen Ergebnissen zu Ende gegangen. Craimur Delhune ist tot, man hat seinen Leichnam gestern abend den Sümpfen übergeben. Doch die Augen der plumpen jungen Traumstaubfrau blicken keineswegs mehr leer, und sie macht eine strenge Diät und Gymnastikübungen, sogar in diesem Moment, und wenn Khar Dorian wieder wegfährt, nimmt er
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