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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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nebenbei den Stummel mit der rotglühenden Spitze auf den Rücksitz des Cadillac, wo dieser sogleich ein Loch in das edle Leder brannte.
    Drei Dinge spielten sich gleichzeitig ab.
    Der Fahrer brach in ein Geheul aus, versuchte, den Stummel im Rückspiegel zu sehen, hatte aber nicht den richtigen Blickwinkel, versuchte, über die Schulter auf den Rücksitz zu sehen, aber ohne Hals gelang ihm diese Geschicklichkeitsübung nicht, er schaltete in den Leerlauf, öffnete die Tür, stürmte auf die Straße und wollte Caspar packen.
    »Du verdammter Bastard, was hast du mit meinem Wagen gemacht, du dreckiges Arschloch, ich bringe dich um …«
    Billy standen die Haare zu Berge, als er sah, was Caspar da trieb; er rannte die kurze Entfernung zum Fußgängerüberweg zurück, um sich den alten Mann zu schnappen; Caspar ließ sich nicht wegziehen, er stand lächelnd und mit unverhohlenem Vergnügen da und freute sich über das Getobe und Gebrüll des hysterischen stiernackigen Fahrers. Billy zerrte so heftig an Caspar, wie er konnte, und langsam ließ sich dieser bewegen mitzukommen, um die Vorderseite des Cadillacs herum zum Bordstein. Immer noch grinste er vor unbändigem Spaß.
    Die Ampel schaltete um.
    Diese drei Dinge spielten sich alle in einem Zeitraum von fünf Sekunden ab, angefeuert vom ungeduldigen Hupen der Autos hinter dem Brougham, als die Ampel auf Grün schaltete.
    Schreien, Zerren, Hupen – der Fahrer mußte einsehen, daß er nicht drei Dinge auf einmal tun konnte: Er konnte nicht Caspar verfolgen, während der nachfolgende Verkehr ihn bedrängte, er konnte nicht aus dem Wagen steigen und auf den Rücksitz klettern, von dem schon der Gestank von verkohlendem Leder aufstieg, schlimmer als von einem billigen Tijuana-Verschnitt, er konnte nicht seinen Rücksitz retten, ohne gleichzeitig den Zorn von einem Dutzend fluchender und hupender Fahrer heraufzubeschwören. Er zitterte, in drei Richtungen zerrissen, und tat gar nichts.
    Billy zog Caspar fort.
    Weg von dem Fußgängerüberweg. Weg von der Straße. Auf den Bürgersteig. In eine Seitenstraße. Durch einen Hinterhof. Und durch die nächste Seitenstraße wieder auf die breite Hauptstraße.
    Schnaufend vor Anstrengung hielt Billy schließlich an, fünf Häuser weiter oben an der Straße. Caspar grinste immer noch, lächelte stillvergnügt mit unverhohlener Freude über sein Bravourstückchen in sich hinein. Billy wandte sich mit aufgeregten Gesten und atemlos an ihn.
    »Du hast sie wohl nicht alle!«
    »Na, wie fandest du das?« fragte der alte Mann und versetzte Billy einen begeisterten Klaps auf den Bizeps.
    »Bescheuert! Total meschugge! Dieser Typ hätte dir den Kopf runterreißen können. Was, zum Teufel, stimmt bei dir da oben nicht, Alter? Hast du nicht mehr alle Tassen im Schrank?«
    »Ich bin nicht verrückt. Ich bin verantwortlich.«
    »Verantwortlich? Verantwortlich? Menschenskind, wofür? Für alle Zigarrenstummel, die alle möglichen Halbaffen auf die Straße schmeißen?«
    Der alte Mann nickte. »Für Kippen und Abfall und Umweltverschmutzung und Giftmüll, der irgendwo bei Nacht und Nebel abgeladen wird; für alle Büsche und Kakteen und den Affenbrotbaum, für den Pippinapfel und sogar für Limabohnen, obwohl ich die nicht ausstehen kann. Zeig mir jemanden, der freiwillig Limabohnen ißt, wenn ihm nicht das Wasser bis zum Halse steht, und ich zeige dir einen Perversen.«
    Billy brüllte: »Wovon redest du eigentlich, zum Teufel?«
    »Ich bin verantwortlich für Hunde und Katzen und Guppies und Krähen und den Präsidenten der Vereinigten Staaten und Jonas Salk und deine Mutter und alle Ballettmädchen im Sands Hotel in Las Vegas. Auch für ihren Choreographen.«
    »Für wen hältst du dich? Für Gott?«
    »Red nicht so gotteslästerlich daher! Ich bin zu alt, um dir den Mund mit Kernseife auszuwaschen. Natürlich bin ich nicht Gott. Ich bin nur ein alter Mann. Aber ich bin verantwortlich!«
    Caspar setzte sich in Bewegung, um weiterzugehen, zur nächsten Straßenecke und wieder in ihre ursprüngliche Richtung. Billy blieb stehen, als ob die Worte des alten Mannes ihn festgenagelt hätten.
    »Komm, mein junger Freund!« sagte Caspar und drehte sich im Gehen zu ihm um. »Wir verpassen sonst den Anfang des Films, und das hasse ich.«
     
    Billy hatte seine Mahlzeit beendet, und sie saßen im Halbdunkel des Apartments, nur in der Ecke brannte eine Lampe. Der alte Mann war im Landesmuseum für Kunst gewesen und hatte billige Kunstdrucke mitgebracht –

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