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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Vater hatte reagiert auf Marthas Tod, aber falsch. Er bekam einen Wutanfall und verkroch sich.
    »Ihr Vater ist zu starr«, sagte Lerner, »es gibt leider solche Fälle. Zu wenig soziale Einbindung, zu linkshemisphärisch. Da können wir nichts machen – es muß ja freiwillig sein, verstehen Sie?« Ja, das verstand sie schon. – Dann war er wieder aufgetaucht und mürrisch in seinen Kurs gegangen.
     
    Und jetzt weinte er, jeden Tag, um seine Frau. Nach 13 Jahren. »Alte, verschüttete Inhalte kommen hoch«, sagte Dr. Niederer. »Das ist manchmal so. Ohne Psychohygiene-Programm eine logische Folge. Aber Ihr Vater hat sich ja immer gesträubt.«
    »Ich kann doch nichts dafür!«
    »Sehen Sie, da kommen jetzt Schuldgefühle auf bei Ihnen. Ich merk’ das an Ihrer Reaktion. Ödipale Sachen. Das ist wohl damals doch nicht richtig aufgearbeitet worden. Die Designer-Schule ist zu chemozentriert, wenn Sie mich fragen. Aber das ist natürlich nur meine persönliche Meinung. Ich will damit nichts gegen Ethiker Lerner gesagt haben.«
    »Aber ich hatte doch 25 Sitzungen mit Neuro …«
    »Ja, ja, ich weiß. Machen Sie sich deswegen keine Sorgen. Ich überstell’ Sie einfach auf Psi 14, sagen wir … zweimal die Woche?«
    Zweimal die Woche auf Psi 14 war hochanständig. Das bedeutete 700 Rechnungseinheiten im Monat. Ökonomisch wurde es besser dadurch. Von den 700 konnte sie jede Menge Kaffee kaufen für Papa.
    »Sie legen es an in Kaffee, nicht wahr?« Dr. Niederer lächelte. »Machen Sie das ruhig, der Dozent hat mir erzählt, Sie dürfen alles behalten. Sein Ausschuß hat so beschlossen.«
    Es war, als ob Dr. Niederer Gedanken lesen könnte.
    Wahrscheinlich waren ihre Gedanken auch leicht zu entziffern. Seitdem ging sie zweimal die Woche auf die Couch. Und es war wirklich besser geworden.
     
    »Du mußt jetzt los«, sagte sie und schenkte ihm Kaffee nach. Er dachte nie darüber nach, was dieses exquisite Vergnügen die Familie kostete. Er nahm alles so selbstverständlich. Berger trank rasch aus und stand auf. »Du hast recht, ich bin schon unterwegs. Also, bis zum Abend!« Er küßte sie und ging.
     
    Sie räumte den Tisch ab und wartete ungeduldig auf Jimmy. Er hatte heute frei. Jimmy betrieb eine kleine Sub-Koop für ›Antike Reparaturen‹. Er reparierte alte elektrische Geräte, Besitztümer solcher Leute, wie ihr Vater einer war. Jimmys Soz-Level war natürlich nicht annähernd so hoch wie der des Dozenten. Wer brauchte schon einen Reparateur? Nur eine Siedlung mit hohem Greisenanteil. Jimmy sprach auch nur zwei Sprachen, ›Variante 1‹ und ›Universal‹ und die mehr schlecht als recht. Manchmal schämte sie sich deswegen. Jimmys ›Universal‹ klang entsetzlich. Dabei war es eine Kindersprache. Er schrieb ihr auch nie.
    »Was soll ich schreiben«, sagte er, »wenn ich doch herkommen kann, so oft du willst?«
    Darauf konnte sie nichts antworten. In der Fem-Gruppe brachte sie es zur Sprache; Angst, Jimmy könnte vielleicht nicht normal sein, ein ›Geschädigter‹. Die Gruppe beruhigte sie. Jimmy sei ganz normal, nur eben völlig unbegabt für Sprachen. Eigentlich sei er nur für eine einzige Tätigkeit begabt. Ein wunderbares, zärtliches Gelächter, weil ja Jimmy als »Passiv Tätiger« eingestuft war. Da stellte sich heraus, daß von den 15 Frauen in der Gruppe den Jimmy schon fünf ausprobiert hatten. Und sie beschlossen, daß ihn die Frau exklusiv bekommen sollte; wegen der Schwierigkeiten mit ihrem Vater. Die Frau hatte weinen müssen und erst an diesem Gruppenabend erfahren, was Schwesterlichkeit bedeuten konnte. Nach so vielen Jahren.
     
    Es läutete. Jimmy stand draußen. Er sieht aus wie ein Gott, dachte sie. Doris hat recht. Sie probierte ihn auch aus; ab und zu, wenn nichts anderes da war. Jimmy war ihr zu direkt. Schlank, dabei muskulös, schwarzes Kraushaar, knackiger Hintern. Das war Jimmy. Und doch nicht ganz. Rein körperlich konnten es auch andere mit ihm aufnehmen. Was sie verrückt machte, war seine Art, sich zu bewegen. Wie ein Tänzer; ein schönes Tier. Er kam schnell herein und küßte sie.
    »Ist er da?« flüsterte er. Sie lachte laut auf. Jimmy war wie ein Kind. Er hatte tatsächlich Angst vor ihrem Mann.
    »Nein«, sagte sie lachend, »er ist nicht hier. Und wenn er da wäre, was sollte das ausmachen?« Das war nicht ganz ehrlich. Es würde wohl etwas ausmachen. Der Dozent war eifersüchtig, aber nur die Frau wußte davon. Der Dozent war sehr geschickt im Verschleiern. Wenn er es

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