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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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ohne Umschweife sagen. Es steht Ihnen jedoch jederzeit frei, sich an jemand anderen zu wenden.«
    Sie sind an Ort und Stelle. John landet auf der Terrasse vor Ediths Haus. Eine Minute später läuten sie an der Tür.
    Die Fenster sind geschlossen, die Jalousien heruntergelassen. Das Haus wirkt verlassen, aber durch die Läden dringt Musik, sie umschwebt das Gebäude wie ein Zauber.
    »Was ist los?« fragt Doktor Schuppe erstaunt. »Niemand daheim?«
    John läutet noch einmal lange. »Edith, mach auf! Ich bin es, John.«
    Hinter der Tür vernehmen sie ein leises Scharren, als überlege jemand, ob er aufschließen soll.
    »Edith! Ich weiß, daß du drin bist, öffne mir!«
    Drinnen erklingt Ediths silberhelles Lachen.
    »Nein, John, ich öffne dir nicht. Du willst mir Viktor wegnehmen, ihn zerstören.«
    »Öffne, Edith, öffne mir!«
    Er beginnt, wie ein Wahnsinniger mit Fäusten und Füßen an die Tür zu trommeln. Er rennt mit der Schulter dagegen, einmal, zweimal, aber die Tür hält stand.
    »Hören Sie auf!« sagt Doktor Schuppe. »Sie öffnen.«
    Zuerst schreit Edith, dann dreht sich die Tür langsam in den Angeln, und Viktor erscheint auf der Schwelle. Zwei harte, drohende Augen. Eine imposante, majestätische Gestalt, unbeweglich wie eine Statue. In der ausgestreckten Rechten hält der Roboter eine Hitzepistole.
     
    »Ich habe es bemerkt, als er mir die Hand gegeben hat«, berichtet John. »Sofort danach hat er sie sich an der Hose abgewischt.«
    »Das hat Viktor immer getan, er konnte schweißnasse Hände nicht leiden.«
    »Ja, aber das unangenehme Gefühl, das der Roboter empfunden hat, war nicht nur eine mechanische Reaktion.«
    »Willst du damit sagen, daß er über Bewußtsein verfügt, genau wie wir?«
    »Ich weiß es nicht, Amanda. Manchmal glaube ich, daß es wirklich so ist. Auch Doktor Schuppe ist verblüfft. Die Kybernetik steckt voller Geheimnisse. Es gibt Tausende Roboter, du mußt dich nur umsehen: die Autofahrer, die Verkäufer in den Geschäften, die Hilfslehrer, die Bergleute, und so weiter. Aber dabei handelt es sich um mehr oder weniger menschliche Marionetten, die man schon von weitem als solche erkennt. Und dann: Sobald eine Situation entsteht, die nicht in ihr System integriert ist, sind sie nicht imstande, sich darauf einzustellen. Aber bei Viktors Roboter ist das anders: Er überlegt und entscheidet dann. Edith hat gesagt, daß er lernt, daß er schon Dinge weiß, die Viktor selbst nicht wußte. Es ist natürlich möglich, daß meine Schwester übertreibt. Aber nehmen wir einmal an, daß es zutrifft. Weißt du, was das bedeutet? Schuppe hat auf mich eingeredet, hat philosophiert, von dem Ich, das es zuerst nicht gibt, und das sich dann allmählich durch die Gewohnheiten, die Wiederholungen herauskristallisiert. Er behauptet, daß es auch bei uns so ist, aber ich glaube ihm nicht. Das habe ich ihm gesagt. Daraufhin hat er zu lachen begonnen und festgestellt, daß in mir noch Reste von religiösem Dogmatismus vorhanden sind. Und dann hat er gesagt: Es zählt nur, daß der Roboter so handelt, als ob. Das hat er mindestens hundert Mal wiederholt, während wir zur Polizei gingen.«
    »Eines verstehe ich dabei nicht«, stellt Amanda fest.
    »Und zwar?«
    »Ich frage mich, ob der Roboter weiß, daß er ein Roboter ist.«
    »Das habe ich auch Doktor Schuppe gefragt.«
    »Und?«
    »Er hält diese Frage für unwesentlich. Wie soll man überhaupt mit diesem Mann diskutieren, er wühlt immerzu in seinem Spitzbart herum und sagt als ob! Er behauptet, daß der Roboter über Selbsterhaltungstrieb verfügt, oder genauer, daß er so handelt, als ob er darüber verfügte. Und ich kann ihm nicht widersprechen. Du hättest seine Augen sehen sollen, Amanda, als er mit dem Revolver in der Hand auf der Schwelle erschienen ist. Er war zu allem bereit, nur um … nur um zu überleben.«
    »Er hat aber doch nicht geschossen.«
    »Schuppe behauptet, daß er es nur deshalb nicht getan hat, weil auch Viktor nicht geschossen hätte.«
    »Und wenn Viktor dich gehaßt hätte?«
    »Das weiß ich nicht, Amanda. Wahrscheinlich hätte er mich in ein Häufchen Asche verwandelt. Eines steht fest: Er weiß, daß seine Stunden gezählt sind, er weiß, daß wir ihn beseitigen wollen, und hat Gegenmaßnahmen ergriffen.«
    »Vielleicht hat Edith ihn dazu angestiftet.«
    »Nein. Bevor die Tür aufgegangen ist, hat Edith geschrien. Zweifellos: Dieser Roboter ist kein Servomechanismus, sondern er handelt aus eigenem Willen, er ist

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