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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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voller Ungeziefer mieten und Proviant für zwei Tage   – Milch, Mais und Hirse – für Mensch und Tier erstehen. Weitere 65   Kauris und drei Knöpfe seines Überziehers bewegen einen rüstigen, achtzigjährigenHolzfäller dazu, seine zwei Esel zu verkaufen und sich zur Ruhe zu setzen. Die schlechte Nachricht ist, daß keinerlei Fleisch zu bekommen ist – egal, zu welchem Preis   –, und daß der Regen mit neuer Wucht losgebrochen ist, was die geplagte Expedition dazu zwingt, den Aufenthalt auf drei triste Tage und Nächte auszudehnen. Die Soldaten wälzen sich – zwar feucht, aber immerhin nicht pitschnaß – verschnupft auf dem Lehmboden der Miethütten herum, kratzen sich, hüllen sich in schimmlige Decken und stecken die rotzüberkrusteten Blechbecher in einen bodenlosen Topf mit der Brühe, die Jemmie Bird, der neue Koch, aus Pökelfleisch, Reis und einer Handvoll wildem Gemüse aus der Umgegend zusammengebraut hat. Es schmeckt genau wie Meerwasser, wie etwas, mit dem man acht Faden tief gurgeln würde, aber wenigstens wärmt es die Innereien. Draußen prasselt der Regen mit unablässiger Intensität herab. So etwas hat noch keiner je erlebt, weder M’Keal noch Mungo noch Johnson. Selbst die Matrosen der
Eugenia –
von denen einer vor Jahren mal einen Taifun vor den Marquesas-Inseln überstanden hat – müssen zugeben, daß dieser Regen den Vogel abschießt.
    Das Wetter macht dem Entdeckungsreisenden Sorgen. Es sind weniger akute Probleme wie unwegsame Straßen, ansteigende Flüsse und rutschige Abhänge, die ihm zu schaffen machen, als die Langzeitwirkungen der feuchten Luft auf die Gesundheit der Männer. Er weiß nur zu gut, wie verderblich das Klima sein kann, wie die fauligen Dünste von Sümpfen, überschwemmten Flußtälern und trüben Tümpeln im Handumdrehen die Lebenskräfte unterminieren, wie eine Unzahl mysteriöser Krankheiten den Menschen in wenigen Tagen vom Muskelprotz zum Totenschädel verwandeln können. Sogar er, der seit langem dagegen abgehärtet ist, fühlt sich neuerdings nicht recht wohl. Und wenn selbst er es spürt, was ist dann mit Vogelscheuchen wie Bird oder Schwindsüchtigen wie Watkins? Soll er sieetwa an den Niger tragen? Und wenn ja, wer treibt dann die Esel und schleppt das Gepäck? Noch schlimmer: Wer wird die Mauren in Schach halten?
    In der zweiten Nacht des erzwungenen Aufenthalts in Bountonkuran kauert er im Kommandozelt, das sie unter dem siebartigen Dach einer der Hütten aufgeschlagen haben, und vertraut seine Sorgen Zander an.
    Anfangs antwortet sein Schwager nicht. Sitzt nur mit einem Buch im Schoß da und starrt mit leerem Blick auf die kalte Zeltwand. Der Entdeckungsreisende erschrickt darüber, wie ausgemergelt und erschöpft Zander aussieht, die Haut straff wie eine Maske über die Backenknochen gezogen, die fiebrigen Augen haben sich in die dunklen Winkel der Höhlen zurückgezogen, als wollten sie sich verstecken. «Zander», spricht Mungo ihn beunruhigt an, «bist du in Ordnung?»
    Zander seufzt. «Hab wohl ein bißchen Fieber. Dünner Stuhl und so. Wenn ich zu hastig aufstehe, wird mir schwindlig, so als hätte ich zuviel getrunken. Nichts Schlimmes.» Der Entdeckungsreisende starrt ihn mit offenem Mund an, ein allmählich aufkommendes Entsetzen verzerrt seine Züge. Zander klappt das Buch zu. «Was hattest du gerade gesagt?»
    «Bist du dir sicher?»
    «Worüber?»
    «Daß du in Ordnung bist? Keine Halsschmerzen, Erbrechen, Kribbeln in den Fingerspitzen?»
    Zanders Lachen ist kraftlos und endet in Husten. «Vielleicht bin ich ein Knirps», sagt er, immer noch hustend, «aber ich bin auch zäh. Schließlich», so setzt er zu einem Witz an, «komm ich ja aus guter Familie.»
    Der Entdeckungsreisende versucht ein Lächeln, bringt aber nur ein schiefes Grinsen zustande.
    «Mach dir keine Sorgen um mich», sagt Zander, dessen Stimme sich beim letzten Wort überschlägt, um ein Hustenzu unterdrücken. «–   bloß eine Erkältung, sonst nichts. Also: erzähl mal, was du für Probleme hast. Na los, sag schon.»
    Vorerst etwas beruhigt, doch mit einer neuen Sorge auf der Liste, berichtet Mungo von seinen Befürchtungen und Ungewißheiten, gesteht seine Selbstzweifel, wie er es nur vor Ailie hätte tun können, die schreckliche Last, zu der die Führung geworden ist, die Leben in seiner Hand wie Sandkörner im Stundenglas.
    Zanders Trost ist leer, mechanisch. «Du hast es schon einmal geschafft», seufzt er, «du schaffst es auch ein

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